Ausstellungen

W wie Wien und Wagner

Vor einhundert Jahren starb Otto Wagner – drei Wiener Museen erinnern an den bedeutendsten Architekten der Belle Epoque

Von Daniela Gregori
22.09.2018

Was wäre Wien ohne Wagner? Architekt, Städteplaner, Möbeldesigner – vom Hocker bis hin zur Meublage der Großstadt: Otto Wagner (1841 – 1918) hat quasi alles entworfen, dabei den Historismus überwunden und die Moderne auf den Weg gebracht. „Schönheit und Abgrund“ lautet das diesjährige Motto der Wiener Museen. Damit lassen sich so ziemlich alle 100-jährigen Jubiläen zusammenfassen, die 2018 in Österreichs Hauptstadt an zu begehen sind: Denn 1918 war der Erste Weltkrieg zu Ende, die Donaumonarchie ebenso. Gustav Klimt, Egon Schiele, Kolo Moser starben – und eben Otto Wagner. Was Otto Wagner anbelangt, so ist dieser zwar im Wiener Stadtbild omnipräsent, doch im Gegensatz zu Klimt und Schiele, bei denen man durchaus den Eindruck gewinnen kann, sie würden in der Donaumetropole in einer Art Dauerschleife gezeigt, ist die letzte umfassende Ausstellung des Jahrhundertarchitekten nun auch schon wieder unglaubliche 55 Jahre her.

 

Wien feiert seinen Stadtvisionär

Aktuell sind es nun gleich drei Institutionen, die Wagner in seinem Gedenkjahr würdigen. Und die schaffen es tatsächlich, sich hinsichtlich ihrer Themen, Thesen und Konzeptionen nicht in die Quere zu kommen. So viel Wagner war in Wiens Museen noch nie – und die begleitenden Publikationen leisten ein Übriges. Im Wien Museum, das über den größten Teil des Wagner-Nachlasses verfügt, zeigt man in einer überaus opulenten Schau erstmals auch das von den Gebäuden an der Ringstraße geprägte Frühwerk. Darüber hinaus geht es um Wagners Großstadtvisionen, die teilweise – im Fall der Wiener Stadtbahnen oder der Wienflussverbauung – auch umgesetzt wurden. Wagners Schriften (allen voran die programmatische betitelte Moderne Architektur) sorgten für eine weite Verbreitung seiner funktionalen Glas-Eisen-Konstruktionen, ebenso Wagners Berufung zum Akademieprofessor.

Bauen für die Gegenwart

In seinem Architekturbüro sammelten die Talentiertesten seiner Studenten erste Berufserfahrung – bevor sie sich eigenen Bauaufgaben stellten, die freilich nicht zwingend in Wien umgesetzt wurden: Josef Maria Olbrich beispielsweise ging nach Darmstadt, Josef Plecnik nach Ljubljana. „Alles modern Geschaffene muss dem neuen Materiale und den Anforderungen der Gegenwart entsprechen“, hatte Wagner seinen Schülern vermittelt – eine Haltung, die bald darauf mit dem Prinzip des „Künstlerarchitekten“ in Wien einen Höhepunkt erfahren sollte. Die Liste der Mitarbeiter für das Gesamtkunstwerk der Kirche am Steinhof liest sich wie das „Who’s who“ der Wiener Werkstätte. Auch für die Postsparkasse entwickelte der Meister (mit seinen Mitarbeitern) die gesamte Ausstattung selbst. Einzig bei einem Projekt, das ihm wie kein anderes am Herzen lag, scheiterte Wagner: beim städtischen Museum am Karlsplatz (heute Wien Museum), für das er attraktive Entwürfe lieferte, das dann jedoch erst in den Fünfzigerjahren nach Plänen Oswald Haerdtls realisiert wurde. Und es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Ausstellung nun gerade dort stattfindet.

Modernes Möbeldesign

Ginge es nach Wagner, so sollte „nichts dem Auge Sichtbares entstehen, ohne künstlerische Weihe zu empfangen.“ Dementsprechend widmet sich das Hofmobiliendepot den Interieurs und Möbelentwürfen des Meisters und stellt sie jenen von Josef Hoffmann und Adolf Loos gegenüber. Letztere mögen in ihren Ansätzen – und überhaupt – erbitterte Gegner gewesen sein, doch sie trafen sich in gewisser Weise bei Wagner. Überaus deutlich wird dies am Beispiel von Armlehnsesseln.

Wo Hoffmann nach neuen Lösungen und Formen suchte und Loos sich – ohne viel zu verändern – des gediegenen englischen Designs bediente, reduzierte Wagner die klassischen Formen auf das Wesentlichste, machte Konstruktionsprinzipien sichtbar. Gemeinsam ist allen, dass sie für die großen Wiener Bugholzhersteller Thonet und Kohn Möbel entwickelten, die heute zu den Klassikern der Moderne zählen. Die Ausstellung widmet sich aber auch ausgewählten Auftraggebern und Möbelproduzenten, was den Katalog besonders für Sammler interessant machen dürfte.

Wagner als Wegbereiter

Gedanken über Wagner und die Folgen stellt das Museum für angewandte Kunst (MAK) mit seiner ambitionierten Ausstellung „Post Otto Wagner – von der Postsparkasse zur Postmoderne“ an. Die Schau beginnt dementsprechend mit der (dem MAK gegenüberliegenden) Postsparkasse und ihren ornamental wie funktional eingesetzten Aluminiumstiften an der Marmorplatten-Fassade – doch danach wird weitaus größer gedacht.

Der Abschnitt „Plan und Methode: Dimensionen der Großstadt“ widmet sich Wagners Idee sogenannter Zellenkonglomerate, über die heute noch diskutiert wird. Die überdimensionierten Gemeindebauten des „Roten Wien“, die vielfach von Wagnerschülern erbaut wurden, zeugen von dieser Vision. Im Bereich „Typus und Stil: Formen der Großstadt“ dreht sich alles um Wagners „Nutzstil“, der sich aus Material, Konstruktion und Funktion ergab. Regionale Lösungen waren hier ebenso von Interesse wie traditionelle historische Bauten sowie der Internationale Stil – ein Pluralismus, der in weiterer Folge zur postmodernen Architektur führen sollte. Und im letzten Kapitel „Technik und Material: Konstruktionen der Großstadt“ wird der Blick auf innovative Fassaden sowie auf Architektur als Bedeutungsträger gelenkt. Auch hier führt der Weg relativ unumwunden zur Postmoderne und ihren Heroen Robert Venturi und Denise Scott Brown. Von Wien nach Las Vegas nachgerade …

Service

Ausstellungen

Otto Wagner
Wien Museum, bis 7. Oktober

Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne
Hofmobiliendepot, bis 7. Oktober

Post Otto Wagner
MAK, bis 30. September

Dieser Beitrag erschien in

Kunst und Auktionen Nr. 14/2018

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