Ausstellungen

Himmlischer Luxus im Metropolitan Museum

Modeschöpfer sind die Geschmackspäpste unserer Zeit. Immer wieder in den letzten Jahrzehnten ließen sie sich von sakraler Kunst und vom Prunk der katholischen Kirche inspirieren. Das zeigt eine spektakuläre Schau in New York.

Von Angela Gräfin von Wallwitz
22.08.2018

Sechs Figurinen in gold glitzernden Abendkleidern schweben über der Galerie der byzantinischen Kunst. Kreuze akzentuieren die Roben der Parade; sind es weibliche Ritter oder Gothic-bewegte Clubgängerinnen? ­Gianni Versace ließ sich, kurz vor seiner Ermordung im Juli 1997, für die Kollektion von sakraler Kunst aus Konstantinopel inspirieren. Der benachbarte Raum ist den bunten Paillettenkleidern von Dolce & Gabbana gewidmet, die dafür byzantinische Mosaiken und Ikonen als Motive verwendeten.

Überall in den Mittelalter-Sälen des ehrwürdigen Metropolitan Museum, zwischen Madonnen und Altären, goldenen Kreuzen und gotischen Truhen, Tapisserien und Vitrinenreihen voller kirchlicher Schatzkunst erscheinen Puppen in bizarren Gewänder, die aus der Prunkwelt der katholischen Kirche einen völlig exaltierten Modekosmos entwickeln. Motivisch gibt es viele Bezüge. So steht Thierry Muglers beige-blaues Chiffonkleid neben einer gotischen Marmor-Madonna, die ein ähnliches Gewand trägt. Und zu Balenciagas kardinalrotem Abendmantel könnte El Grecos Kardinalsporträt im Met den Anstoß gegeben haben. Aber welche Rolle spielen die christlichen Symbole, die in solcher Fülle zitiert werden? Ist das Blasphemie oder eine neue Form der Religiosität?

Designer bedienen sich bei den Schätzen katholische Textilkultur

Im Haupthaus an der Fifth Avenue und in den Cloisters – der Mittelalter-Filiale an der Nordspitze von Manhattan – zeigt die Schau „Heavenly Bodies. Fashion and the ­Catholic Imagination“ in spektakulärer Inszenierung Kreationen von 52 Modeschöpfern, die nach 1945 vom Prunk und von den Sakramenten der katholischen Kirche zu ihren Entwürfen bewegt wurden. Erstmals vom Vatikan entliehene Messgewänder und Pontifikalien aus der Sakristei der Sixtinischen Kapelle bilden einen spannungsreichen Hintergrund zum Thema. Die Cloisters, Pasticcio aus originalen romanischen Kreuzgängen und historisierendem Pseudokloster der Dreißigerjahre, bringen den Eklektizismus der Modepäpste besonders gut zur Geltung. Hier stehen die Bräute, Madonnen und Nonnen in Gewändern, deren Nutzung als Hochzeits- oder Abendkleider meist unvorstellbar erscheint, in einer stillen, ja meditativen Umgebung, in der die Qualität des Designs zum Strahlen kommt. Farbige Kirchenfenster finden sich in den Roben wieder, gotische Spitzbögen in der Form von Hüten.

So oberflächlich auf Luxus bedacht, wie es scheinen mag, ist die Schau nicht. Andrew Bolton, Kurator der Ausstellung, bezieht sich im Katalog auf die Thesen des Soziologen Pater Andrew Greeley („The Catholic Imagination“, 2000). Eine Aufgabe der Kirche sei es, so argumentiert Greeley, durch die Pracht der Zeremonie und der liturgischen Gewänder den geplagten Menschen auf Erden Hoffnung auf himmlische Anerkennung zu geben. Daraus weist Bolton den im Grunde untragbaren Kreationen der Modeschöpfer die Rolle zu, eine Teilhabe an einer überirdischen Gesellschaftsschicht zu vermitteln. Ob Papst Franziskus tatsächlich John Gallianos Abendensemble mit reichen Goldbordüren bewundern würde, ist fraglich. Dieses Soutane-Abendkleid wird nämlich von einem juwelenbesetzten Cape und einer koketten Bischofsmitra vervollständigt. Und was soll man von Rick Owens’ Mönchsgewändern halten, die an der entscheidenden männlichen Stelle ein Guckloch haben? Bereits in den Fünfzigerjahren kam es zu einer aufgeregten Diskussion, als die Schwestern Zoe und Micol Fontana aus Mailand Damen in fiktive Priestermäntel hüllten. Die Kirche selbst hatte aber bereits im Vorfeld ihre Zustimmung zu diesen Entwürfen gegeben.

Die Schau zielt auf Überwältigung und zwingt uns zur Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass sich selbst moderne Menschen, die von den Vorzügen der Demokratie profitieren, danach sehnen, durch unerreichbaren Prunk dem grauen Alltag zu entfliehen. Dass Kirche und Haute Couture eine ähnliche Rolle spielen, beide mit mysteriösen Riten und mit kostbaren Gewändern Möglichkeiten eröffnen, den irdischen Mühen zu entfliehen und vielleicht sogar zu himmlischer Hilfe und Erleuchtung zu gelangen, ist die überraschende Erkenntnis dieser Ausstellung.

Service

Ausstellung

„Heavenly Bodies. Fashion and the Catholic Imagination“,
Metropolitan Museum (Met Fifth Avenue und Met Cloisters), New York, bis 8. Oktober

Dieser Beitrag erschien in

Weltkunst Nr. 146/2018

Zur Startseite