Sammlung Bauer bei Grisebach

Nicht gerade ein Stillleben

Die großartige Sammlung Walter Bauer bei Grisebach in Berlin erzählt mit ihren Provenienzen von der tragischen Geschichte des 20. Jahrhunderts

Von Ivo Kranzfelder
26.11.2025
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 248

Die Sammlung von Walter Bauer prägte der Kunsthistoriker Carl Georg Heise maßgeblich. Nach Studien bei Wilhelm Vöge in Freiburg, Adolph Goldschmidt in Halle und Heinrich Wölfflin in München wurde er 1920 Direktor des St. Annen-Museums für Kunst- und Kulturgeschichte in Lübeck. Mit dem Erwerb des Behnhauses erweiterte Heise die Sammlungen und setzte Schwerpunkte auch bei den Zeitgenossen. Sein Engagement für die Moderne – und sein Antimilitarismus – waren 1933 Gründe für seine Entlassung. Die Nazizeit überstand Heise in Berlin durch eine unauffällige Publikationstätigkeit, ohne sich dem Regime anzubiedern. Wahrscheinlich über seinen Nachbarn Theodor Heuss, den späteren Bundespräsidenten, lernte er in den späten Dreißigerjahren Walter Bauer kennen. Ihn beriet Heise seitdem beim Aufbau seiner Kunstsammlung.

Als die Nazis die Aktion „Entartete Kunst“ durchführten und die Moderne aus deutschen Museen entfernten, gelang es Heise, einige Werke aus Lübeck, insbesondere aus dem Behnhaus, in die Sammlung von Bauer umzuleiten. Das geschah hauptsächlich über vier offiziell bestallte Händler, nämlich Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferdinand Möller. Über Letzteren gelangten etwa 1942 das „Selbstbildnis nach halblinks“ aus dem Jahr 1906 von Paula Modersohn-Becker sowie Emil Noldes „Stilleben P (Grüner Hintergrund, Hirsch, Kopf)“ von 1915 in die Sammlung Bauer. Sie sind jetzt bei Grisebach jeweils auf 250.000 Euro geschätzt.

Oskar Schlemmers „Freundesgruppe mit Tisch und Vase“ von 1935, Taxe 120.000 Euro.
Oskar Schlemmers „Freundesgruppe mit Tisch und Vase“ von 1935, Taxe 120.000 Euro. © Grisebach / Fotostudio Bartsch

Obwohl den vier Händlern „der Verkauf an inländische Interessenten ausdrücklich untersagt“ war, so der Provenienzforscher Andreas Hüneke, fanden sich offensichtlich Wege. Nach Kriegsbeginn umging man die verschärften Bestimmungen durch Tauschverträge. „Der extremste“, so Hüneke, „wurde am 16. Juli 1940 mit Böhmer abgeschlossen: ein relativ schwaches Gemälde von Carl Gustav Carus (…) gegen (…) insgesamt 48 zum Teil bedeutende Kunstwerke“ von Hofer, Heckel, Feininger, Mueller, Grosz, Dix, Marcks und anderen.

Das eingangs erwähnte Bild von Karl Hofer, „Paar am Fenster“, wurde ebenfalls aus den Lübecker Sammlungen beschlagnahmt und über Böhmer, der einen Großteil der circa 300 bis 400 eingezogenen Hofer-Bilder abwickelte, 1940 an Bauer vermittelt. Nun kommt es zur Taxe von 120.000 Euro zum Aufruf. Das Gemälde zeigt den Blick von außen auf ein Paar, die Frau vorne, mit verschränkten Armen auf dem Sims lehnend, der Mann hinter ihr, die Hand auf ihrer Schulter. Ihr Blick ins Ungewisse ist sorgenvoll, ein bisschen trostlos. Ein weiteres Bildnis eines Paares, ein älterer Mann und eine junge Frau mit kunstvoller Frisur, ist von der Hand Adolph Menzels. Das Pastell aus dem Jahr 1850 trägt eine Schätzung von 25.000 Euro. Ebenfalls aus dem Behnhaus stammt ein gemaltes Fischerhaus von Frans Masereel (Taxe 5000 Euro). Es erinnert an Boulogne-sur-Mer, wo der Belgier bis 1939 die Sommermonate mit seiner Frau verbrachte.

Heise wurde 1945 Direktor der Hamburger Kunsthalle, ein einflussreicher Posten, den er bis zu seiner Pensionierung 1955 innehatte. Im Auftrag von Bauer kaufte er in den Fünfzigerjahren Kunst auf Auktionen, so kam der größte Teil der Sammlung Bauer zusammen. Nun werden die Werke wieder versteigert: Ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben.

Auktion

AUKTION

„Sammlung Walter Bauer“

Grisebach, Berlin

27. und 28. November

Zur Startseite