Die großartige Sammlung Walter Bauer bei Grisebach in Berlin erzählt mit ihren Provenienzen von der tragischen Geschichte des 20. Jahrhunderts
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26.11.2025
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 248
Ein Foto zeigt den Nationalökonomen und Kunstsammler Walter Bauer mit einem Buch in seiner Bibliothek sitzend, hinter ihm an der Wand ein Bild von Karl Hofer. Wie in einem Brennglas lässt sich in dieser Aufnahme deutsche Geschichte nachvollziehen, beginnend 1925, dem Entstehungsjahr des Bildes, über 1937 mit der Aktion „Entartete Kunst“ und dem Versuch, beschlagnahmte missliebige Kunstwerke vor der Vernichtung zu retten, bis zum Schicksalsjahr 1944 mit dem missglückten Hitler-Attentat. Ebenfalls implizit erzählt wird von der frühen Bundesrepublik, aber auch von der oft verdrängten Kontinuität, dem Fortleben der Nazizeit etwa in der Rechtsprechung und schließlich auch von den komplizierten Provenienzen der Kunstwerke, die bis heute die Forschung beschäftigen.
Wir blicken jetzt wieder auf diese Fotografie, weil das Auktionshaus Grisebach in Berlin mit einer Auswahl aus der Sammlung Bauer am 27. und 28. November nicht nur 120 hochkarätige Kunstwerke präsentiert, sondern vor allem auch an einen Abschnitt deutscher (Kunst-)Geschichte erinnert, der mit zunehmender Entfernung immer mehr aus dem Fokus gerät. Die Sammlung ist eine Sensation: Nur ein Mal wurden Werke daraus öffentlich präsentiert, 1967 in Karlsruhe.
Der Sammler Walter Bauer wurde 1901 geboren, machte in der Montanindustrie Karriere und gründete 1938 in Fulda sein eigenes Unternehmen. Er war als Mitglied der Bekennenden Kirche um Dietrich Bonhoeffer ein Oppositioneller und wurde in Nachfolge des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 inhaftiert, jedoch 1945 kurz vor Kriegsende wieder freigelassen – anders als Bonhoeffer, der noch im April 1945 hingerichtet wurde. Nach dem Krieg gehörte Bauer einer Kommission an, die zur Gründung der sogenannten Montanunion, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, führte, einem Vorläufer der EU. Außerdem gründete er 1949, unter anderem auf Initiative von Theodor Heuss, das „Hilfswerk 20. Juli 1944“. Das war nötig, da die Justiz der Bundesrepublik sich noch lange schwertat, Urteile des nationalsozialistischen Unrechtsregimes zu revidieren oder aufzuheben. Das Todesurteil des SS-Standgerichts gegen Bonhoeffer habe dem damaligen Recht entsprochen und sei daher auch weiterhin gültig, urteilte der Bundesgerichtshofs im Jahr 1956. Deshalb gab es keine Entschädigung für Bonhoeffers Verwandte als Verfolgte des Naziregimes. Es dauerte bis 1998, bis hier Einschränkungen gemacht wurden. Eine ähnliche Situation ergab sich, teilweise, bei der Frage der Restitution von Kunst. Schließlich ist das Gesetz zur Aktion „Entartete Kunst“ bis heute weder von den Alliierten noch von der Bundesrepublik zurückgenommen worden.