100 Jahre Karl & Faber

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In diesem Jahr feiert das Auktionshaus Karl & Faber ein großes Jubiläum. Seine bewegte Münchner Geschichte begann vor 100 Jahren mit einem Buchantiquariat, doch längst ist es eine internationale Adresse für Kunst aller Medien und Epochen

Von Stefan Weixler
22.06.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 205

Immer wieder ist es dem Haus gelungen, Objekte und Kollektionen mit spektakulärer Provenienz zu akquirieren. Schon beim Auktionsdebüt 1927 speiste sich das Angebot seltener Barockliteratur aus der Bibliothek Victor Manheimers. Der Schwabinger Bohemien brachte seit den frühen Zwanzigerjahren sukzessive seine umfangreiche Büchersammlung auf den Markt. Der zugkräftige Name verhalf Karl & Faber damals zum Einstieg ins neue Metier, dem zunächst ein bis zwei Versteigerungen pro Jahr folgten, oft etwa Bibliotheken aus Adelskreisen. So kamen Exemplare aus der Fürstlichen Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen und aus der Herzoglichen Bibliothek Coburg-Gotha unter den Hammer. Ein Beispiel: Aus der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek in Maihingen kam im November 1933 eine im 15. Jahrhundert entstandene Handschrift der Weltchronik des Rudolf von Ems zum Aufruf, die heute im J. Paul Getty Museum in L. A. aufbewahrt wird.

In der Nachkriegszeit sorgte die Versteigerung romantischer Papierarbeiten aus der Sammlung Lüttichau-Haniel 1979 für Schlagzeilen. Ein von Philipp Otto Runge mit Feder in Schwarz ausgeführter „Lilienstengel“, den sich mittlerweile die National Gallery in Washington gesichert hat, realisierte damals 126.500 D-Mark. Nicht minder attraktiv war 1981 die Auktion mit Grafiken der klassischen Moderne, die der Verleger Reinhard Piper zusammengetragen hatte. Damals wanderten zahlreiche Beckmann-Blätter in Museen.

Mittlerweile blickt Karl & Faber auf mehr als 300 Auktionen zurück. Das gesamte Spektrum der bildenden Kunst ist in den jährlich bis zu 15 Auktionen von der Renaissance bis zur Gegenwart abgebildet. Topzuschläge gab es für Filippino Lippi ebenso wie für Franz von Stuck, Lucio Fontana, Bernd und Hilla Becher oder Neo Rauch, in verschiedensten Medien. Doch auch im 21. Jahrhundert verbindet sich der Name Karl & Faber noch immer mit Papierarbeiten von erlesener Qualität. Im Bereich der Druckgrafik gehört das Haus zu den ersten deutschen Adressen. Alte Meister und Expressionisten werden regelmäßig versteigert – bis hin zu Qualitätsblättern großer Namen. 2018 etwa brachte ein Frühdruck der Rembrandt-Radierung „Adam und Eva“ einen Hammerpreis von 70.000 Euro, der rare Kupferstich „Das Rauchfass“ von Martin Schongauer 185.000 Euro. Und 2015 in der Versteigerung von „Druckgrafik des deutschen Expressionismus“ mit Werken aus der Sammlung Ahlers spielte Ernst Ludwig Kirchners Holzschnitt „Müggelsee“, der einzige Abzug des ersten Zustands, 140 000 Euro ein.

Auch im Sektor der Handzeichnungen werden Connaisseurs bei Karl & Faber immer wieder fündig. So erwarb das Metropolitan Museum in New York 2007 aus der Sammlung Walter Bareiss diverse Blätter von Georg Friedrich Kersting und seinen Künstlerkollegen des 18. und 19. Jahrhunderts. Dafür reichten jeweils vierstellige Beträge aus. Denn um feine Arbeiten alter und neuerer Meister zu ersteigern – das macht den Reiz des Sammelgebiets aus –, braucht es oft nur kleine Investments. Für die kostbaren Scherenschnitte von Philipp Otto Runge dagegen, die Karl & Faber immer wieder einmal versteigert, werden in der Regel um die 80.000 Euro fällig. Noch mehr finanzielle Luft erforderten Zeichnungen von Picasso, Dalì, Dix, William Kentridge und Jorinde Voigt.

Die Nähe des Hauses zum Papier ist einerseits der Tradition des Unternehmens geschuldet, hängt aber auch mit der kunsthistorischen Sozialisation und dem persönlichen Geschmack von Rupert Keim zusammen. Denn aufgewachsen ist der promovierte Jurist insbesondere mit Zeichnungen der Goethezeit. Das erste Blatt, das er 1989 noch als Teenager für 1200 D-Mark selbst ersteigerte, stammt von Johann Georg Dillis. Das war – wie könnte es anders sein? – in einer Auktion von Karl & Faber. Keim erinnert sich noch heute an seine Angst vor dem Aufruf, das Los der Wahl könne in ähnliche Höhen schießen wie wenige Augenblicke zuvor ein Dillis-Aquarell mit Blick auf Kloster Tegernsee, das 110.000 D-Markt erzielt hatte. Keim, der 2003 das Unternehmen dann gemeinsam mit Familienmitgliedern kaufte, brachte 2007 just diesen „beängstigenden“ Topzuschlag von damals erneut zur Versteigerung. Bei 83.000 Euro ging das Aquarell nun an das Metropolitan Museum in New York. Nach wie vor ist das der höchste je für Dillis erzielte Auktionspreis.

Der geschäftsführende Gesellschafter hat nicht nur zeitgenössische Kunst ins Sortiment aufgenommen und Repräsentanzen im In- und Ausland geschaffen, sondern das Haus auch rechtzeitig ins digitale Zeitalter überführt. Schon 2019 wurden Online-only-Auktionen abgehalten, sodass Karl & Faber bei den Lockdowns im Jahr darauf, wie Keim damals meinte, „kaum anfällig war“. Soeben hat er mit Markus Eisenbeis von Van Ham aus Köln ein Marketingbündnis geschlossen – die Häuser wollen sich so gegenseitig neue Absatzmärkte erschließen. Ein Schritt in die Zukunft, der Keim in puncto Kunstmarkt ohnehin gelassen optimistisch entgegensieht – trotz Ukraine-Krieg und Energiekrise. „Wer vorher in gute Kunst investiert hat, wird das auch weiterhin tun. Tough times never last – tough people do!“

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