Nachruf auf Eberhard Kornfeld

Per Du mit Giacometti

Zum Tod des legendären Schweizer Auktionators Eberhard Kornfeld würdigt Gerd Presler, der die Passion für den Expressionismus mit ihm teilte, seine Verdienste als Kunsthändler, Herausgeber, Mäzen und Lehrer

Von Gerd Presler
14.04.2023

Vor wenigen Tagen schrieb ich ihm, bat um einen Hinweis in Sachen Ernst Ludwig Kirchner. Eine Antwort werde ich diesmal nicht erhalten: Dr. Eberhard W. Kornfeld  verstarb am Donnertag, den 13. April 2023, neunundneunzigeinhalb Jahre und zwanzig Tage alt. Fast 100 Jahre. Viel Lebenszeit – und er hat sie genutzt.

Wo soll man beginnen? Da ist der weltweit bekannte Auktionator: „Was durch meine Hände ging!“, pflegte er zu sagen. Welch ein Augenblick, so hat er es selbst empfunden und mitgeteilt, als er am Anfang seiner Karriere in Bern einen einzigartigen Kupferstich des Meisters ES aufrufen konnte: „Der große Liebesgarten“, entstanden um 1465. Nachdenklich, den Brillenbügel im Mundwinkel, bekannte er später: „Darauf habe ich lange gewartet. Der Besitzer vertröstete mich immer wieder mit dem Hinweis, er möchte sich von einer solchen Rarität noch nicht lösen.“

Eberhard Kornfeld war gut vorbereitet nach seinen dreijährigen Studien in den Kupferstichkabinetten von Basel, Paris, London (British Museum) Ende der Vierzigerjahre, im Amsterdamer Rijksprentenkabinet und schließlich der Albertina in Wien. Und schon bald stürzten weitere Aufgaben auf ihn ein, Jahr um Jahr – Höhepunkte, Herausforderungen. Im November 1972 war das Gemälde „L’Arbre tordu“ von Paul Cézanne der erste Zuschlag über der Millionengrenze. Ein Aquarell von Egon Schiele, „Selbstbildnis im Gefängnis von Neulengbach,“ folgte schon bald mit mehr als 1,5 Millionen Franken. Und dann ging es weiter mit Munch, van Gogh, Gauguin, Hodler, Kirchner, Picasso, Klee bis hin zur Gegenwart mit Sean Scully, Rolf Iseli, Georg Baselitz und Franz Gertsch. Schließlich erzielte das Gemälde „La Terrasse“ von Georges Braque 6,1 Millionen Franken. Kein Ende: 2017 erreichte Paul Gauguins Kohlezeichnung zweier Tahitianerinnen 7,2 Millionen Franken, damals der höchste Zuschlag überhaupt im deutschsprachigen Raum.

Kornfeld Giacometti
Eberhard W. Kornfeld gezeichnet von Alberto Giacometti im Jahr 1959. © Privatsammlung

Außerdem ist da der Forscher Eberhard Kornfeld, der vieles angestoßen hat und noch mehr zu Ende führte: Seine Biographie „Ernst Ludwig Kirchner, Nachzeichnung seines Lebens“, 1979 erschienen, gilt immer noch als unentbehrliches Standardwerk. Ebenso: „Sam Francis; Nachzeichnung seines Lebens aus der persönlichen Sicht von E. W. Kornfeld“, Bern 1991. Überhaupt, der Künstlerfreund – er war mit Alberto Giacometti, Joan Mitchell, ihrem Mann Jean-Paul Riopelle und vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern per Du und förderte sie immer wieder mit Ausstellungen und Veröffentlichungen.

Da ist der Herausgeber von maßgeblichen Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens, etwa den Werkverzeichnissen von Max Beckmann, Marc Chagall, Paul Gauguin, Alberto Giacometti, Pablo Picasso, schließlich das sieben Bände umfassende Verzeichnis der Druckgraphik von Ernst Ludwig Kirchner, das Günter und Annemarie Gercken erarbeiteten.

Da ist seine Lehrtätigkeit an den Universitäten Bern und Basel. Sie blieb vielen Studierenden in Erinnerung wegen einer Besonderheit, wegen einer optischen Delikatesse: „Die Vorlesungen waren sehr beliebt,“ sagte er selbst, „weil ich immer Originale mitbrachte.“ Da ist der großzügige Leihgeber und da ist nicht zuletzt der generöse Stifter, dem manches Museum kostbare Trouvaillen verdankt.

Er selbst schrieb, er habe ein faszinierendes Leben gelebt, „tagtäglich in Kontakt mit hochwertigen Kunstwerken und vielen, reiche Früchte tragenden Erlebnissen mit Künstlern und Sammlern zu sein.“ Dafür war er „von Herzen dankbar.“

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