Bild des Tages

Bubikopf im Boudoir

Das Berliner Auktionshaus Lehr versteigert „Die Schwestern“ von Georg Scholz. Das Gemälde soll mindestens 200.000 Euro bringen – nach dem Rekord vom vergangenen Jahr

Von Christiane Meixner
24.04.2023

Wie Perlmutt schimmern die Haut und die roséfarbenen Dessous der beiden Frauen. Sie tragen Bubiköpfe, Signatur der selbstbewussten Weiblichkeit der 1920er-Jahre, und schlafen in angedeuteter Umarmung auf einem Bett, das Georg Scholz ebenso dunkel wie den Rest des Zimmers gemalt hat. Bloß das orientalische Muster der Decke verleiht jener Szene einen Hauch von Boudoir.

Ist Inzest im Spiel, wie es der Titel „Die Schwestern“ nahelegt? Scholz selbst fand die Wirkung seines Motivs tatsächlich „ein wenig schwul“. Dabei handelt es sich um seine Frau und die Schwägerin des Malers, die im Atelier unter seinen Augen eine vieldeutige Position einnehmen. Scholz kritisierte unter dem Einfluss des Dadaismus scharf die gesellschaftlichen Verwerfungen während der Weimarer Republik, 1933 wurde er als Professor an der Landeskunstschule in Karlsruhe von den Nationalsozialisten entlassen. Sein Doppelbildnis von 1928 aber ist ein privates Sujet voller Anspielungen, die sich nicht konkretisieren. Selbst ein Hinweis auf das hocherotische Gemälde „Der Schlaf“(1868)  von Gustave Courbet ist kaum mehr als erahnbar.

Die Hüter des Scholz-Nachlasses sehen in den Schwestern auf jeden Fall ein Bild mit großem Potenzial. Ihre Einlieferung im Berliner Auktionshaus Lehr, das diese Woche zur Vorbesichtigung lädt, verbindet sich mit einer Erwartung von mindestens 200.000 Euro, die Irene Lehr erzielen soll. Das scheint realistisch, nachdem dasselbe Haus vergangenes Jahr während der Herbstauktionen die „Toten Hühner“ des neusachlichen Malers von geschätzten 100.000 Euro auf das Vierfache steigern konnte – der bis dahin höchste Einzelzuschlag bei Lehr überhaupt.

Hier geht es zum ausführlichen Vorbericht der Auktion.

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