Kunstgewerbe bei Lempertz

Hochrangiges Handwerk

Das Kölner Auktionshaus ruft bei seiner Herbstauktion seltene Porzellane und königliches Silber auf – darunter eine besonders kostbare Kanne aus Meissen

Von Thomas Kemper
12.11.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 18

Lempertz in Köln veranstaltet am 19. November im Rahmen seiner Herbstauktionen die traditionelle Versteigerung „Kunstgewerbe“. Zum Aufruf kommen qualitätsvolle Objekte aus allen Bereichen des Sektors, teils aus deutschen und europäischen Privatsammlungen. Das bewährte Expertenteam um Ingrid Gilgenmann und Karl Schoenefeld hat sich entschieden, dem bei Lempertz beständig wachsenden Gebiet „Porzellan & Keramik“ einen Sonderkatalog zu widmen. Der Rest der Offerte verteilt sich auf zwei weitere Katalogbücher.

220 Lose von kunst- und kulturhistorischer Bedeutung werden im Bereich der Goldschmiedekunst versteigert – von der Spätgotik über Renaissance, Barock, Klassizismus und Historismus bis in die Moderne. Aus dem Bereich der Vasa sacra, der liturgischen Altargeräte, wird bei 15.000 Euro ein silbervergoldeter, wohlproportionierter Messkelch angeboten, der ohne Marken auf uns gekommen ist. Stilistisch kann das Objekt in die Zeit um 1400 / 50 datiert werden. Das Haus vermutet, dass es in Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt gefertigt wurde – meiner Meinung nach könnte das Stück auch in Westfalen entstanden sein.

Das Toplos des Sektors sind vier prachtvolle Rokoko-Tafelleuchter, die August III. – Kurfürst von Sachsen und König von Polen – um 1745 bei seinem „königlichen Hofjuwelier und Hofsilberarbeiter“ Christian Heinrich Ingermann in Dresden für die Hofsilberkammer der Wettiner in Auftrag gab. Dementsprechend trägt jedes Stück auf der Unterseite das ligierte Besitzermonogramm „AR3“ („Augustus III. Rex“). Im Kurfürstlich-Sächsischen Silberkammer-Inventarium von 1789 sind „einhundert Tafel-Leuchter, façonnirt mit AR3 gezeichnet“ aufgeführt – jeweils mit ihrem exakten Gewicht. Diesem Fahrnisverzeichnis entsprechend, tragen die vier Leuchter bei Lempertz auf der Unterseite die gravierten Ziffern 3, 6, 95 und 96. Einzelstücke aus dem ehemaligen Dresdner Hofsilber kommen sehr selten auf den Markt – und so sind die vier archivalisch lückenlos dokumentierten Objekte auf 80.000 Euro geschätzt.

Auktion Lempertz
Der aus Elfenbein gedrechselte Doppelpokal wurde am Ende des 16. Jahrhunderts an einem deutschen Fürstenhof (Dresden?) gefertigt. Das 43 Zentimeter hohe Stück soll mindestens 15.000 Euro bringen. © Lempertz, Köln

Aus der kleinen Gruppe der Elfenbeinarbeiten sticht ein gedrechselter, 43 Zentimeter hoher Doppelpokal vom Ende des 16. Jahrhunderts hervor, der aus einer Antwerpener Sammlung den Weg nach Köln gefunden hat. Das Stück wird mit einer couragierten Schätzung von 15.000 Euro aufgerufen. Die Autorschaft bedarf noch der Klärung. Mit der vagen Zuschreibung „Deutscher Fürstenhof (Dresden?)“ ist aber immerhin die Marschrichtung vorgegeben. In den Jahrzehnten um 1700 wurde an allen europäischen Höfen gedrechselt – in Kopenhagen, Petersburg, Berlin, Dresden, München, Wien, Florenz etc. Klaus Maurice hat in seiner Studie „Der drechselnde Souverän. Materialien zu einer fürstlichen Maschinenkunst“ (Zürich, 1985) dargelegt, dass Kunstdrechseln ein wichtiger Teil der dynastischen (Aus-)Bildung war. Denn es vereinte Handwerk mit künstlerisch-intellektuellem Anspruch.

Der beeindruckend bestückte Katalog „Porzellan & Keramik“ präsentiert rund 230 Objekte aus zahlreichen privaten Kollektionen. Die norddeutsche Sammlung Hiemisch umfasst über fünfzig hochkarätige klassizistische Porzellane der Meissener Manufaktur aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, als Graf Camillo Marcolini die Leitung innehatte. Zum Aufruf kommen elegante Tassen und Kannen mit exquisiter Bemalung und zurückhaltendem Dekor. Die dargestellten Szenen geben Gemälde nach Stichvorlagen wieder – Werke der zu jener Zeit hochgeschätzten Angelika Kauffmann, aber auch Illustrationen zeitgenössischer Sturm-und-Drang-Literatur (Goethes Werther) oder großer Shakespeare-Dramen (Romeo und Julia).

Die Schätzpreise dieser Henkelgefäße für die zu der Zeit beliebten Heißgetränke Kaffee, Tee und Schokolade sind durchgehend sehr moderat. Für eine schlicht, aber aufwendig dekorierte Tasse mit „Flora“ und der mythologischen Szene „Cephisa trifft auf Amor“ auf der Untertasse – beide Darstellungen nach Angelika Kauffmann – liegt die Taxe bei 800 Euro. Für eine Deckeltasse und Untertasse mit kobaltblauem Unterglasurfond und zweifarbiger Vergoldung, die überwiegend in Sepia en camaïeu „Ariadne auf Naxos“ und „Paris und Aphrodite“ zeigt – ebenfalls nach Kauffmann –, liegen die Erwartungen bei 2000 Euro.

Auktion Lempertz
Unter den frühen Porzellanen der Meissner Manufaktur sticht eine nur 13 Zentimeter hohe Teekanne mit Famille-verte-Dekor hervor, die auf 200.000 Euro geschätzt ist. Durch die nur ein Jahr verwendete Manufakturmarke „K.P.M.“ mit kleinen Schwertern in Unterglasurblau kann sie auf das Jahr 1723 datiert werden. © Lempertz, Köln

Der Hiemisch-Kollektion ist der vierte Teil der Münsteraner Sammlung von Renate und Tono Dreßen zur Seite gestellt, die ebenfalls mit qualitätsvollen Meissener Porzellanen aus den Stilphasen Louis-seize-, Empire / Klassizismus- und Historismus aufwartet. Viele dieser ab 1770 in Meissen verwendeten, ikonografisch überfrachteten Dekore kamen später auch in der Kaiserlichen Manufaktur in Wien zur Anwendung.

Unter den zahlreichen frühen Porzellanen der Meissner Manufaktur, die in Köln offeriert werden, sticht eine nur 13 Zentimeter hohe Teekanne hervor, die auf 200.000 Euro geschätzt ist. Das Gefäß aus der Sammlung Beata und Jaroslaw Domanski kann durch die nur ein Jahr verwendete Manufakturmarke „K.P.M.“ mit kleinen Schwertern in Unterglasurblau auf das Jahr 1723 datiert werden. Von besonderem Reiz ist der delikate Dekor des Objekts. Der Meissener Maler hat chinesische Famille-verte-Vorlagen der Kangxi-Periode (1654 – 1722) imitiert.

Diese speziellen Chinoiserien weisen nur diese Teekanne sowie fünf weitere Meissener Porzellane auf – konkret: zwei weitere Teekannen und drei gefußte Pokale. Eine dieser Teekannen befand sich seit den Nachkriegsjahren im Cummer Museum in Florida (Ralph Wark Collection) und wurde im September 2012 an die Erben der Dresdner Sammler Gustav und Charlotte von Klemperer restituiert. Im November 2014 wurde sie dann bei Bonhams in London versteigert und erzielte 128.500 Pfund brutto. Zwei der gefußten, 15,3 Zentimer hohen Pokale, ehemals in der legendären Sammlung Franz Oppenheimer, wurden vom Rijksmuseum Amsterdam restituiert. Bei Sotheby’s in New York erzielten sie am 14. September 900.000 und 420.000 Dollar. Und so darf man gespannt sein, bei welchem Preis das fragile Porzellanobjekt in der Kölner Offerte am Ende landen wird.

Auktion Lempertz Silber Tafelleuchter Rokoko
Die vier Rokoko-Tafelleuchter gab August III. – Kurfürst von Sachsen und König von Polen – um 1745 bei Christian Heinrich Ingermann in Dresden für die Hofsilberkammer der Wettiner in Auftrag. Nun sind sie mit einem Schätzpreis von 80.000 Euro das Toplos der Silbersparte. © Lempertz, Köln

Service

Auktion

Lempertz Köln,

19. November

Besichtigung 12. bis 15., 18. November

lempertz.com/de

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