Glaskunst bei Dr. Fischer

Filigran und farbenprächtig

Dr. Fischer versteigert in Heilbronn gläserne Kostbarkeiten aus fünf Jahrhunderten. Rund Tausend Objekte aus verschiedenen Regionen kommen zum Aufruf

Von Hans-Uwe Trauthan
12.10.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 16

Mit einer gewohnt großen und qualitätvollen Offerte gläserner Kostbarkeiten aus verschiedenen Epochen und Regionen startet Dr. Fischer in die Herbstsaison: Knapp Tausend Objekte aus den Gebieten Form-, Schnitt-, Email-, Milch- und Zwischengoldglas, Historismus, Jugendstil, Art déco etc. stehen zur Auktion.

Akzentuiert wird das Angebot durch die beeindruckende Kollektion des Sammlerehepaars Hubert und Marianne Seiler, die modernes Glas und Studioglas beinhaltet – unter anderem drei Objekte des tschechischen Künstlers Czeslaw Zuber: zwei kleine „Tête“-Skulpturen aus den Jahren 1993 und 1996 (Taxen 2500 und 1500 Euro) sowie ein großes „Tête“-Objekt von 1990 (Taxe 4000 Euro). Zubers Arbeiten sind aus optischem Glas hergestellt, mit dem Hammer und der Diamantsäge bearbeitet, teils geschliffen und poliert, in der Gravur signiert und datiert. Zusätzlich wurden sie sandgestrahlt, graviert und kalt farbig bemalt.

Der englische Künstler Colin Reid ist in der Sammlung Seiler mit dem Werk „Pyramide“ vertreten. Das Objekt von 1994 aus farblosem Glas mit Pulvereinschlüssen in Grafit und Grün, sandgestrahlt, geschliffen, poliert und im Wachsausschmelzverfahren („Cire-perdue“) hergestellt, ist mit 1000 Euro sehr attraktiv angesetzt.

Am unteren Ende der Erwartungsskala liegt das mit marktfernen 600 Euro angesetzte, handliche Schalenobjekt „Sea Form“ des Amerikaners Dale Chihuly aus farblosem Glas, das mit dünnem, rosafarbenem Opal überfangen und mit weißen Fäden umsponnen ist. Chihulys vierteiliges Set „Dragon’s Blood Persian Set with Tar Lip Wraps‘‘ (1994) hingegen, geschaffen aus farblosem, optisch geripptem Glas, dunkelrot unterfangen und mit einem aufgesponnenen gelb-blauem Faden verziert, startet mit 3000 Euro.

Kännchen Goldrubinglas Dr. Fischer Auktion
Das lediglich 7 Zentimeter hohe Kännchen aus Goldrubinglas mit Vermeilmontierung, das um 1730 in Sachsen gefertigt wurde, kommt bei 1200 Euro zum Aufruf. © Dr. Fischer, Heilbronn

Der Name Mary Ann „Toots“ Zynsky ist untrennbar mit farbenprächtigen Schalenobjekten verbunden. Die Künstlerin gestaltet ihre Kunstwerke aus ausgezogenen, verschmolzenen und heiß verformten Farbglasfäden, wie beim ausgerufenen Objekt zu sehen. Der Schätzpreis von sehr konservativen 7000 Euro wird sicherlich ein interessantes Bietgefecht generieren – denn vergleichbare Objekte werden wesentlich höher gehandelt.

Ebenfalls mit je 7000 Euro kommen die Pottasche-Objekte von Harvey K. Littleton zum Aufruf: das zweiteilige „Rotated Ellipsoid“, das mehrere konzentrische Überfangschichten in den Farben Blau, Honiggelb, Rubinrosa und Beige besitzt; und das geschliffene und polierte „Purple C“, versehen mit dünnen Überfangschichten in Rubinrosa und Violett sowie eingeschmolzenen Fäden in Orange.

Gleich zu Beginn der Hauptauktion, die mit der gut bestückten Sparte „Formglas“ startet, verdient ein seltenes Scherzgefäß in Form einer Radschlosspistole mit Zinnschraubverschluss besondere Beachtung – geschaffen aus farblosem, teils schrägoptisch geripptem Glas mit partiell gekniffenen Applikationen für Abzug und Griff (Süddeutschland, 18. Jahrhundert, Vergleichsstücke in bekannten Sammlungen; Taxe 2000 Euro).

Ihm zur Seite steht ein lediglich 7 Zentimeter hohes Kännchen aus Goldrubinglas. Es hat einen gedrückten, kugelförmigen Körper mit geschwungenem Ausguss. Die Vermeilmontierung am Stand ist mit einer reliefierten Behangbordüre dekoriert, deren Rand in gezahnter Fassung montiert ist. Der Henkel hat die Form einer eingerollten Behangbordüre mit Herme. Der Deckel besitzt einen gewellten Rand, den Abschluss bildet ein Kugelknauf. Die in der Literatur überwiegend vertretene Auffassung, nach der Vergleichsstücke aus Süddeutschland oder Potsdam einen angesetzten Glashenkel besitzen, rechtfertigt hier eine Zuweisung nach Sachsen, um 1730. Die Erwartungen liegen bei 1200 Euro. Ein nur 2 Zentimeter höheres Vergleichsstück, um 1715 ebenfalls in Sachsen – genauer: Dresden – gefertigt, kam im Mai 2006 für 4800 Euro bei Schloss Ahlden zum Ausruf.

Reichsadlerhumpen Dr. Fischer Auktion
Der 1605 datierte Reichsadlerhumpen aus grünstichigem Glas mit bunter Emailmalerei ist auf 12.000 Euro geschätzt. © Dr. Fischer, Heilbronn

Im Segment des barocken Schnittglases reichen die Schätzpreise von 350 Euro für einen böhmischen Pokal aus der Zeit um 1730, der auf der Kuppa einen im Mattschnitt ausgeführten Dekor aus eingerollten Blattranken und Putti zeigt, über einen mit 800 Euro angesetzten Pokal (Altmünder Hütte, um 1740) mit mattgeschnittenem Jagd-Dekor bis hin zu einem Pokal aus dickwandigem Glas mit Scheibenfuß, der zur Taxe von 1200 Euro offeriert wird. Der Balusterschaft dieses Stücks wird durch einen Scheibennodus akzentuiert. Die Kuppa ist am Ansatz und unterhalb des Lippenrandes mit Kugel- und Olivenschliff veredelt. Umlaufend zeigt sich in poliertem Tiefschnitt die bekannte Szene „Venus bestraft Amor“. Im Katalog wird die Vermutung geäußert, dass die Gestaltung in Anlehnung an einen Stich von Odoardo Fialetti (1617) erfolgte. Die schnitttechnische Veredelung wird Martin Winter (Potsdam, um 1685) zugeschrieben.

Die sehr gute, preislich äußerst attraktive Mittelware in diesem Bereich wird von einem wichtigen Jagd-Pokal mit Rankendekor der Glashütte Emde bei Brakel (Westfalen) beherrscht, der wohl nicht – wie der Katalog sagt – um 1730, sondern eher um 1750 geschaffen wurde. Auf der rundum mattierten Kuppawandung befindet sich ein tiefgeschnittener, polierter Dekor aus einer umlaufenden Rankenwelle mit Laubwerk, Tulpen- und Rosetten-Blüten, dazwischen ein Jäger mit zwei Hunden, einem Hirsch folgend. Der marktferne Schätzpreis von 3000 Euro und die Herkunft des Objekts aus der Sammlung des verstorbenen Kunsthändlers Uwe Friedleben (Hannover) lassen ein heißes Bietgefecht erwarten.

Ein extrem seltenes Stück, ebenfalls aus Friedlebens Kollektion, ist mit lächerlichen 2500 Euro angesetzt (Los 104). Im Tiefschnitt sind hier drei allegorische Szenen dargestellt, die auf das Jubiläum eines Priestermönchs Joseph hinweisen. Im ersten Bild lehnt ein offenes Buch („Regu/La/S.P./Bene/dic/ti‘‘) an einem Baum, von dem ein Blütenkranz herabhängt. Auf dem Geländesockel steht „1700. die 12 july‘‘, womit an den Eintritt des Mönchs in das Kloster erinnert wird. Auf dem zweiten Bild ist ein Altar mit Kruzifix an einem Baum zu sehen, an dem zwei Blütenkränze hängen. Darunter steht: „1706 15. Jan.‘‘ – womit auf die Priesterweihe hingewiesen wird. Das dritte Bild feiert den Jubilar. Über einem Baum mit zwei Kränzen hält eine aus einer Wolke kommende Hand einen noch nicht geschlossenen Blütenkranz. Eine weitere Hand reicht die letzte fehlende Blüte. „Sanos vive dies, donec completa sit ima‘‘, lautet die erklärende Beischrift. Aufgrund einer Inschrift im ersten Feld, die sich auf den Eintritt ins Kloster vor 50 Jahren bezieht (Profess-Jubiläum), ist das Glas in das Jahr 1750 zu datieren. Somit handelt es sich bei diesem Dreikugelbecher um das früheste datierte Glas mit Vergoldung, gefertigt in der Glashütte Emde.

Jagd-Pokal Dr. Fischer Auktion
Der Jagd-Pokal mit Rankendekor wurde um 1750 in der Glashütte Emde bei Brakel (Westfalen) geschaffen. Er stammt aus der Sammlung des verstorbenen Kunsthändlers Uwe Friedleben und soll mindestens 3000 Euro einspielen. © Dr. Fischer, Heilbronn

Eine wahre Zimelie ist Los 91, ein Holzkästchen mit Bergkristallplatten in handlichem Format, das nicht nur wegen seiner hervorragenden Provenienz (Dr. Otto Dettmers, davor Jacques Mühsam), sondern auch durch die nachvollziehbare Zuschreibung an den Nürnberger Glasschneider Georg Schwanhardt d. Ä. (1650 – 1660) Bedeutung besitzt. Im von Robert Schmidt bearbeiteten Katalog der Sammlung Mühsam erscheint es allerdings nicht, weil dort nur Hohlgläser aufgenommen wurden. Jetzt betritt das Kästchen bei 20.000 Euro erstmals die Auktionsbühne – mit marginalen Ergänzungen, aber vorhandenem Schlüssel. Vergleichsobjekte sind unbekannt.

Im Bereich des emailbemalten Glases mag bei der Preisfindung für einen auf 12.000 Euro geschätzten fränkischen Reichsadlerhumpen von 1605, ebenfalls aus der früheren Sammlung Friedleben, der etwas ältere, im November 2020 bei Lempertz in Köln für 16.000 Euro zugeschlagene Reichsadlerhumpen aus der Sammlung Renate und Tono Dreßen Anhaltspunkte geliefert haben. Der aufgelegte Standring ist mit einer weißen Emailstrich-Reihe verziert. Auf der schlanken Wandung mit hochgestochenem Boden und Abriss ist der bekrönte Reichsadler mit Zepter und Reichsapfel platziert, auf den ausgebreiteten Schwingen befinden sich die Quaternionenwappen. Bei vergleichbaren Reichsadlerhumpen ist die Ausgestaltung des Federkleids überaus detailliert und subtil gestaltet. Das jetzt ausgerufene Exemplar hingegen weist in diesem Bereich eine äußerst triviale, ja eintönige Bemalung in schmutzigem Schwarz auf. Da jegliche Binnenzeichnung fehlt, entsteht Raum für umfangreiche Spekulationen …

Ein von ausführlichen Literaturhinweisen, sorgfältiger Recherche und umfangreicher Beweisführung begleiteter, 11,2 Zentimeter hoher Becher aus Lauscha (Thüringen), dessen geweitete Wandung auf einem gestauchten Stand mit hochgestochenem Boden ruht, zeigt eine sorgfältige Dekorausführung in bunten Emailfarben (Los 248): und zwar einen Pelikan, der seine Jungen mit dem Herzblut füttert, und rückseitig das „Agnus Dei“ mit der Fahne der Christenheit (das aus der Brust strömende Blut wird hier in einem goldenen Kelch aufgefangen). Die Darstellungen sind auf einem umlaufenden Grassockel mit stilisierten Stauden ausgeführt. Seitlich befinden sich die Inschriften „HERR Christ besprenge uns mit deinem Bludt, Wie der pelican Seinen Jungen thut‘‘ und „Siehe das ist Gottes Lamb, welches der welt Sünde trägt. Johann Heinrich Gültner. Anno Domini 1696‘‘. Insgesamt sind sechs rautenförmige Beschlagwerk-Ornamente aus weißem Email und Blattgold erkennbar. Auf dem Fuß befindet sich ein weißes Strichmuster. Unterhalb des Lippenrandes ist eine beriebene Blattgoldbordüre zu erkennen, gerahmt von linearen und wellenförmigen Bordüren in Weiß. Der Becher wurde bereits im Oktober 1993 bei Dr. Fischer als Lot 1420 verkauft. Damaliger Zuschlag: 11.000 D-Mark, bei einem Ansatz von 13.000 D-Mark. Jetzt geht das Stück bei 5000 Euro an den Start. Zuschlag … ?

Service

AUKTION

Dr. Fischer, Heilbronn

Auktion: 16. Oktober 2021

Besichtigung: 11.–15. Oktober 2021

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