Auktionen

Auf der anderen Seite - Hinterglasmalerei

Das Münchner Auktionshaus Scheublein offeriert im September eine seltene Kunstgattung aus einer Privatsammlung: ­Kostbarkeiten der ­Hinterglasmalerei von Tirol bis China

Von Gloria Ehret
07.09.2016

Galante Paare, Jahreszeiten-Allegorien, Heilige und Namenspatrone, Madonnen mit oder ohne Jesusknaben, ein Papstporträt oder Passionsszenen – die gesamte Themenvielfalt zog auf Hinterglasbildern in bürgerliche Salons und ländliche Stuben ein. Obwohl die Technik schwierig ist, denn die Darstellung wird spiegelverkehrt und in umgekehrter Reihenfolge zur Tafelmalerei ausgeführt, wurde sie nicht nur von veritablen Künstlern betrieben, sondern beschäftigte im späten 18. und 19. Jahrhundert Hausindustrien und Verleger fast überall dort, wo Glashütten auch Tafelglas lieferten.

Im Staffelseeraum, einem der Hauptproduktionszentren der Hinterglasmalerei, begeisterten sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Maler des Blauen Reiters für die farbenfrohen Bildwerke. Das niederbayerische Zentrum Raimundsreut ist sogar in dessen Almanach erwähnt. Gabriele Münter hat die komplizierte Technik selbst erlernt, und Heinrich Campendonk ist dem Metier sein Künstlerleben lang treu geblieben. Aktuell widmet sich ein vom Stadtmuseum Penzberg initiiertes und von der Volkswagen-Stiftung als „Forschung im Museum“ finanziertes Projekt der „Hinterglasmalerei als Technik der klassischen Moderne von 1905–1955“.

Nun kommt beim Münchner Auktionshaus Scheublein eine nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengetragene Privatsammlung von Hinterglasbildern zur Verstei­gerung. Die rund 150 Positionen aus dem Besitz von Nachfahren einer ehemaligen Münchner Brauereifamilie decken alle bedeutenden Provenienzen von Italien über Tirol und Süddeutschland bis in den Schwarzwald und das Elsass ab. Selbst Spanien ist mit einer heiligen Jungfrau Maria vertreten und das ferne China mit zwei Beispielen (einer Kaiserin und Musikantinnen) aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Schätzpreise (bis 800 Euro) sind ausgesprochen moderat angesetzt.

Da Wolfgang Steiner, der derzeit wohl beste Kenner von Hinterglasbildern, die Sammlung bei Scheublein begutachtet hat, kann man davon ausgehen, dass sie ein entsprechendes Echo hervorrufen wird. Im Auktionshaus hat man sich mit allzu engen Zuschreibungen zurückgehalten, denn auch in der einschlägigen Literatur sind sich die Fachleute oft nicht einig. Was lange als „Augsburg“ galt, wird mittlerweile nach Tirol verwiesen. Dafür gibt es auch neue Erkenntnisse: Wenn man die „Tiroler“ Arbeiten anschaut – etwa die hinreißende Szene „Das Vogelnest“ aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts –, kann man Steiner folgen, der dafür ein charakteristisches Tiroler Grün in der Farbgebung ausgemacht hat. Mit sechs Nummern bilden die Werke aus dem österreichischen Alpenland nun einen kleinen Schwerpunkt. Auch die Rahmen und jüngst die hinter die Glastafeln gelegten Papiere gewinnen an Bedeutung bei der Lokalisierung der Bilder. So sind die Tiroler Scheiben häufig mit aufwendigen Rahmen mit geprägtem Pergamentpapier geschmückt. Dank der schimmernden Glasoberfläche und dem Malduktus haben sie eine bezaubernde Strahlkraft.

Zusammengehörende Folgen waren allerorts beliebt. So schauen uns die vier Jahreszeiten als anmutige Brustbildnisse in Gestalt zweier Mädchen mit roten Wangen und Herzmündchen und zweier fescher Jünglinge in die Augen. Das attraktive Ensemble aus dem Schwarzwald oder Elsass ist auf 300 Euro geschätzt. In einer anderen Folge entflieht die heilige Margaretha dem Drachen, während ihr der heilige Georg in wildem Ritt zu Hilfe eilt. Die beiden malerischen Darstellungen über einem typischen weißen Schriftsockel mit den Heiligennamen stammen aus der Staffelseeregion (Taxe 260 Euro). Hier waren übrigens Rahmen mit strukturierter, vergoldeter Innenleiste beliebt, wie ihn die anrührende Darstellung des heiligen Josef mit dem Jesuskind im Arm umgibt. Die feine Malerei lässt sogar eine Zuschreibung an die namhafte Werkstatt Gege zu (Taxe 140 Euro).

In die böhmischen Zentren Sandl oder Buchers verweist das querformatige Hinterglasbild mit den blumengeschmückten Jesus- und Johannesknaben anhand der hellgrauen Schatten unter den Augen (Taxe 400 Euro). Kühl und linienbetont erscheint dagegen die Gottesmutter am Krankenbett, umgeben vom Kruzifix, Satan und den Seelen im Fegefeuer (Taxe 300 Euro).

Scheublein Art & Auktionen, München, 16. September, scheublein.com

Abbildung

Scheublein, München

Auktion

Scheublein, München, 16. September

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Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr.119/2016

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