Trencin und Oulu

Das sind die Kulturhauptstädte 2026

Oulu ist nicht Helsinki, Trencin ist nicht Bratislava – trotzdem sind Europas Kulturhauptstädte 2026 durchaus eine Reise wert. Und das hat nicht nur mit einem schreienden Männerchor zu tun

Von Weltkunst News
01.12.2025

Das finnische Oulu und das slowakische Trencin trennen gut 2.000 Kilometer, doch eines haben die beiden Städte gemeinsam: Sie beide dürfen sich 2026 als Europäische Kulturhauptstadt bezeichnen. Damit treten sie unter anderem die Nachfolge von Chemnitz an, das diesen Titel im Jahr 2025 zusammen mit der slowenisch-italienischen Grenzdoppelstadt Nova Gorica/Gorizia trug.

Sowohl die Finnen als auch die Slowaken haben dafür nun ein umfangreiches Programm vorbereitet. Ein Überblick, was Oulu und Trencin kulturell zu bieten haben:

Trencin – Historische Burgen und ein bekanntes Musikfestival

Einst galt die industrielastige Region um Trencin (deutsch: Trentschin) als Waffenschmiede der Sowjetunion. Heute kann es die Stadt mit ihren etwas mehr als 50.000 Einwohnern durchaus mit anderen osteuropäischen Perlen wie dem polnischen Krakau oder dem ungarischen Veszprem aufnehmen. 

36 Jahre nach der Wende und 22 Jahre nach dem EU-Beitritt der Slowakei sind in der Region im nordwestslowakischen Waag-Tal längst neue Industriezweige aufgeblüht – darüber hinaus aber auch die Kultur, die Trencin seinen Besuchern nun voller Stolz präsentieren möchte.

Dank ihrer bis in die Steinzeit nachweisbaren Siedlungsgeschichte ist die Stadt der ideale Ort, um zu zeigen, dass die Region abseits der Industrie auch historisch und kulturell viel zu bieten hat. Großes Highlight der nur zweieinhalb Autostunden von Wien entfernten Stadt ist dabei ihre mächtig auf einem Hügel über der Stadt thronende mittelalterliche Burg. Eine in den Burgfelsen gemeißelte lateinische Inschrift gilt als der östlichste Nachweis für die Präsenz römischer Legionen außerhalb Deutschlands.

Das Veranstaltungsprogramm für das Jahr als Kulturhauptstadt steht dabei unter dem Hauptmotto «Neugier wecken». Geschehen soll das nicht zuletzt durch das „Beleben ungenutzter Räume, die neue Erlebnisse und Möglichkeiten eröffnen, die Trencin mit Europa verbinden“, wie es auf der Homepage der Organisatoren heißt. Was das konkret bedeuten soll, zeigt etwa das Projekt «Fiesta-Brücke»: Eine stillgelegte Eisenbahnbrücke über den Fluss Waag (slowakisch Vah) wird für zehn Millionen Euro zu einer modernen multifunktionalen Kulturstätte mit Ateliers und Veranstaltungslokalen umgebaut.

Zahlreiche Veranstaltungsorte und Installationen

Eine weitere zentrale Lokalität ist das zu einem Kreativzentrum umgestaltete frühere Kino „Hviezda“ (Stern). Das reichhaltige jüdische Erbe der Stadt wird in der für das Kulturhauptstadtjahr renovierten Synagoge wieder sichtbar gemacht. Ein Lichtkunstfestival unterstreicht zugleich den modernen Anspruch von Trencin. Kunstinstallationen sollen nach den Veranstalterplänen auch die Wasserflächen einbeziehen – etwa mit Kunstevents im Rahmen von Floßfahrten auf der Waag – und mit Theateraufführungen die Straßen der Stadt beleben. Neben der ikonischen Trentschiner Burg werden auch mehrere der zahlreichen Burgen der umliegenden Region als Schauplätze dienen.

Dass auf dem Flughafengelände von Trencin schon seit Jahren das größte slowakische Musikfestival „Pohoda“ (übersetzt etwa „Wohlfühlen“) Tausende Besucher anzieht und dabei neben Musik regelmäßig auch Raum für politisches Engagement bietet, wird mit dem Projekt „Zvuky demokracie“ / „Sounds of Democracy“ in den Veranstaltungskalender integriert. Die lokale Bevölkerung soll in Festivalveranstaltungen unter dem Titel „Living Neighbourhoods“ zur Teilnahme angeregt werden.

Oulu – Zu Gast bei Luftgitarren-Virtuosen und schreienden Männern

Wie bereits vor zwei Jahren im nordnorwegischen Bodø ist diesmal erneut eine Stadt aus den hohen Gefilden Europas unter den Kulturhauptstädten. Das finnische Oulu mit seinen rund 220.000 Einwohnern gilt als nördlichste Großstadt der EU und ist unter anderem durch schräge Kulturveranstaltungen wie die jährliche Luftgitarren-WM bekannt. Auch der schreiende Männerchor Mieskuoro Huutajat ist in Oulu zu Hause – wer ihn nicht kennt, sollte sich unbedingt mal online seine größten Hits anhören.

Saladin Thomas „Six String Sal“ aus den USA tritt im Finale der Luftgitarren-Weltmeisterschaft in Oulu auf.
Saladin Thomas „Six String Sal“ aus den USA tritt im Finale der Luftgitarren-Weltmeisterschaft in Oulu auf. © Foto: Eeva Riihela/Lehtikuva/dpa

In Oulu soll jedoch nicht bloß gekonnt gebrüllt und ebenso gekonnt in der Luft herumgefuchtelt werden. Mehr als 500 Kulturorganisationen und Kreative wollen Besuchern eine einzigartige Mischung aus nordischem Flair und internationalen Perspektiven bieten, wie Programmdirektor Samu Forsblom vorab ankündigte. „Oulu 2026 wird ein Jahr der gewagten künstlerischen Begegnungen, bei denen der Norden im Mittelpunkt des europäischen Kulturlebens steht.“

Oulu arbeitet mit gleich 39 Partnergemeinden in Nordfinnland zusammen, um ein breites Programm für das Jahr auf die Beine zu stellen. Herausgekommen ist ein Veranstaltungskalender mit Tausenden kulturellen Erlebnissen: von Foto- und Kunstausstellungen über kulinarische Geschmackserlebnisse bis hin zur Weltpremiere einer Oper über das Leben der Samen, der indigenen Bevölkerung im grenzübergreifenden hohen Norden Europas. Diese Premiere im Theater von Oulu soll das Kulturhauptstadtjahr der Finnen am 16. Januar im Rahmen eines mehrtägigen Festivals eröffnen.

Schneeskulpturen und Eisschwimmen

Noch dazu kann Oulu auf etwas setzen, das die Region ganz besonders macht: das raue wie beeindruckende Klima. Winterliche Beiträge wie Schneeskulpturen, Eisschwimmen und Lichtinstallationen auf gefrorenen Seen sollen dem Jahr, das unter dem generellen Motto „Kultureller Klimawandel“ steht, früh einen frostigen Stempel aufdrücken. Und wer etwas Glück hat, bekommt bei all dem auch noch Nordlichter am Himmel zu sehen – oder im Sommer dann die nicht minder spektakuläre Mitternachtssonne.

Und die schreienden Männer? Die wollen das Jahr bereits mit einem Auftritt bei der Neujahrsfeier der Stadt einläuten, der ersten Veranstaltung, mit der Oulu die Zeit als Kulturhauptstadt willkommen heißt. Die Luftgitarren-Virtuosen zeigen ihr Können letztlich bei einem Festival Ende August.

Darum geht es bei den Kulturhauptstädten

Den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt tragen jährlich zwei oder drei Städte aus unterschiedlichen Ländern der EU oder ihr nahestehenden Staaten wie beispielsweise Norwegen. Die EU-Initiative soll Europas kulturelle Vielfalt herausstellen und die für jede Region charakteristische Kultur und Kunst würdigen.

Erste Kulturhauptstadt war vor 40 Jahren Athen. Seitdem trugen auch vier deutsche Städte den Titel: West-Berlin 1988, Weimar 1999, Essen 2010 zusammen mit dem Ruhrgebiet sowie das besagte Chemnitz im Jahr 2025. 2027 sind dann Liepaja in Lettland sowie das portugiesischer Évora an der Reihe. (dpa)

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