Analog Glass

Voller Schmelz

Lange spielte Collectible Design in der Kunstszene nur eine Nebenrolle, doch das ändert sich gerade gründlich. Was in Berlin entsteht, ist aufregend und zukunftsweisend. Wir stellen Designerinnen und Designer vor, die die Freiheit der Formen feiern. Folge 2: Philipp Weber und Birgitta Homburger 

Von Simone Sondermann
04.08.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 240

Hier dreht sich alles ums Material. Schon während seines Industriedesignstudiums war Philipp Weber vom Glas fasziniert. Damals knüpfte er Kontakte zu Glasbläsern im Bayerischen Wald und in Tschechien, war vor Ort, um zu lernen, wie die jahrtausendealte und selten gewordene Technik funktioniert. Von diesem Netzwerk profitiert der 37-Jährige bis heute. „Es ist ein teures Handwerk“, erzählt er, „eine Stunde bei einem Glasbläser fängt bei 300 Euro an und kann in manchen Fällen sogar knapp 1000 Euro betragen.“ Umso wichtiger ist es, das Ausgangsmaterial zu verstehen, Entwürfe zu erarbeiten, die nicht nur schön und außergewöhnlich, sondern auch umsetzbar sind.

Spiegel „Initï“ und Leuchte „Omam“ von Philipp Weber
Spiegel „Initï“ und Leuchte „Omam“ von Philipp Weber © Nils Stelte

Wie bei seiner Pendelleuchte „Omam“, deren Gestalt durch eine bestimmte Drehung des heißen Glases entsteht, eine Art Choreografie, die als erstarrte Bewegung in den gläsernen Körpern der Leuchte bewahrt bleibt. Ein dreiteiliges Exemplar hängt in einem ehemaligen Grafitspeicher in Berlin-Lichtenberg. Der Berliner Architekt Arno Brandlhuber hat den schmalen, hohen Betonquader im Gewerbegebiet vor ein paar Jahren gekauft und ohne allzu große Eingriffe in die brutalistische Struktur umgebaut. Im Parterre hat die von Philipp Weber gegründete Firma Analog Glass ihren Sitz. Vor zwei Jahren stieß Birgitta Homburger dazu, seitdem entwickeln sie ihr kleines Unternehmen gemeinsam als Marke weiter. Zu ihrem Portfolio gehören eigene Entwürfe, darunter eine von Homburger entworfene Serie von Spiegeln, die sie bei Lamberts in der Oberpfalz fertigen lässt. Die Manufaktur ist eine von dreien weltweit, die noch mundgeblasenes Flachglas herstellt.

Diese Karaffen entwarfen Shantala Chandel und Matthias Gschwendtner für Analog Glass
Diese Karaffen entwarfen Shantala Chandel und Matthias Gschwendtner für Analog Glass © Nils Stelte

Die Kollektion von Analog Glass umfasst aber auch Entwürfe anderer Designerinnen und Designer, wie die dreieckige Wandlampe „Lola“ des Duos Gonzalez Haase. Sie herzustellen ist anspruchsvoll und setzt viel Erfahrung voraus, da das weiche Glas physikalisch stets in eine runde Form strebt. „In den vergangenen fünf Jahren hat sich Berlin als Designstandort sehr weiterentwickelt“, sagt Homburger, die vorher lange in München gearbeitet hat. Ihrem Impuls ist es zu verdanken, dass Analog Glass mehr als nur raffinierte Lampen produziert. Als Spezialisten stellen sie ihr Know-how auch Künstlerinnen und Künstlern wie Tomás Saraceno oder anderen Designstudios zur Verfügung. So tüftelt Philipp Weber gerade an einem Auftrag für die Niederländer Truly Truly. Auf seinem Arbeitstisch funkeln flache Quadrate in der Sonne, in Neongelb, Braun oder opakem Dunkelgrün. Er kennt einen begnadeten Schleifer, mit dem möchte er bei diesem Projekt zusammenarbeiten, um dessen Kunstfertigkeit im wahrsten Sinne zum Glänzen zu bringen. Denn auch darum geht es beim Glas: die einzelnen Teile zu einem Ganzen zu verschmelzen.

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