Nest Collective aus Nairobi hat auf der Documenta ein Kino aus Abfallpaketen gebaut. Ein Gespräch mit Njoki Ngumi über Wegwerfmode, den Schmuggel von Müll und die falsche Sehnsucht nach Normalität
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17.06.2022
Versuchen Sie auf Verdrängungsmechanismen hinzuweisen?
Njoki Ngumi In unserer Arbeit der letzten Jahre habe ich gelernt, dass die Vermeidung unangenehmer Wahrheiten und das Ausbleiben eines Dialogs darüber eine wahrhaftige Hypothek auf unsere Zukunft ist. Es hilft, sich in der Gegenwart besser zu fühlen, aber es vergrößert die Probleme, die uns in der Zukunft beschäftigen werden, wenn wir diesen Gesprächen nicht mehr aus dem Weg gehen können. Die Klimakrise ist eine Realität. Und wenn wir jetzt Menschen, die im Recycling und Second-Hand-Markt ein Geschäft entwickelt haben, sagen: Ihr müsst damit aufhören, dann bedeutet das automatisch auch: Ihr habt keine Arbeit mehr. Das ist ein Problem, das es nicht gäbe, wenn wir vor drei Jahrzehnten gemeinschaftlich eine nachhaltige Textilindustrie aufgebaut hätten.
Stattdessen hauen die große Modelabels in immer schnellerem Takt Kollektionen raus, die nur für einen sehr kleinen Teil der Welt große Profite und Luxus bedeuten. Die Pandemie und unserer Umgang damit hat das noch einmal verdeutlicht, dass wir uns nach „Normalität“ sehnen, aber es gibt keine Normalität. Und genau darüber müssen wir miteinander ins Gespräch kommen. Wir müssen darüber sprechen, was wir als Gemeinschaft an unserem Verhalten verändern können.
Wann haben Sie und Ihre Kolleg:innen sich als Kollektiv zusammengetan?
Njoki Ngumi The Nest Collective hat seine Arbeit 2012 aufgenommen und wir sind sehr stolz darüber, dass wir nun seit zehn Jahren bestehen. Das ist für Kollektive keine Selbstverständlichkeit. Und wir lernen kontinuierlich dazu und passen unsere Methoden der Zusammenarbeit immer wieder an. So ist das multi- und interdisziplinäre Arbeiten gewissermaßen ein Kontinuum im Wandel in unserer Arbeit. Diese Arbeit ist eine skulpturale Installation, ein Kino, aber von außen betrachtet auch eine Sound-Installation. Und schafft gleichzeitig eine große Nähe zwischen künstlerischem Ausdruck und wissenschaftlicher Expertise.
Sie schafft eine Begegnung aus Poesie und Intellekt.
Njoki Ngumi Ja, das ist eine schöne Beschreibung. Es geht uns darum, dass sie Menschen wirklich in diese Arbeit und die von uns gesammelten Stimmen und Perspektiven eintauchen. Nur so kann die Komplexität und die Dimension des Themas vermittelt werden.