Restitution

Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit streiten Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

Von Weltkunst News
27.11.2025

Warum sind diese Fragen nach 80 Jahren nicht längst geklärt?

Papier betont, noch immer gebe es viel nicht restituierte Raubkunst in öffentlichem Eigentum. Zwar hätten Museen etliche Fälle einvernehmlich gelöst. „Es bleiben eben die komplexen, die umstrittenen Fälle. Und da bestehen auch immer wieder die Schwierigkeiten.“ So wiesen viele Fälle erhebliche „Provenienzlücken“ auf – irgendwo in den Wirren der Nazi- und der Nachkriegszeit verliert sich die Spur der Herkunft eines Kunstwerks. 

Und es gebe schwierige Wertungsfragen, sagt Papier, etwa beim sogenannten Fluchtgut: Ein Eigentümer konnte ein Werk bei der Flucht aus Nazi-Deutschland mitnehmen, musste es aber im Ausland billig verkaufen, um finanziell neu anzufangen. Ist das Raubkunst? „Das sind alles schwierige, komplexe Verfahren“, sagt Papier. 

Die Nachfahren der Opfer sehen das Problem der Rückgabe auch bei der Zögerlichkeit deutscher Institutionen. Viele Familien erlebten seit Jahren ein „Muster aus Ignoranz, Abwehr und Verzögerung“, sagt Anwalt Markus Stötzel, der viele von ihnen vertritt.

Um welche berühmten Werke wird gestritten?

Kaum ein Restitutionsstreit wird erbitterter geführt als der um Werke des jüdischen Galeristen Alfred Flechtheim (1878-1937). Bei seiner Flucht aus Hitler-Deutschland 1933 musste er seine Sammlung mit Werken berühmter Maler von Pablo Picasso bis Max Beckmann zurücklassen. Verarmt starb er 1937 im Londoner Exil.

Museen wie das Museum Ludwig in Köln, das Guggenheim Museum in New York und das Moderna Museet in Stockholm haben Werke im Millionen-Wert an Flechtheims Erben zurückgegeben. Doch in Bayern und Nordrhein-Westfalen streiten sie seit Jahren erfolglos um Bilder aus staatlichen Sammlungen. 

So fordern die Erben-Anwälte seit rund zehn Jahren die Rückgabe des Gemäldes „Die Nacht“ (1918/19) von Max Beckmann aus der landeseigenen Kunstsammlung NRW. Für ganz NRW sehen die Anwälte noch „mindestens ein gutes Dutzend“ und bundesweit mehr als 100 Kunstwerke aus dem Besitz Flechtheims, bei denen sie Restitutionsfälle vermuten. 

Der wohl prominenteste Fall in Bayern ist der Streit um „Madame Soler“ von Pablo Picasso. Seit 2009 fordern Nachfahren des Kunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen das Gemälde zurück. An die Beratende Kommission konnten sie sich nicht wenden, weil der Freistaat nicht zustimmte. Seiner Ansicht nach liegt keine Raubkunst vor. Nun soll der Fall ans Schiedsgericht.

Kommt auch der Welfenschatz vor das Schiedsgericht?

Einer der bedeutendsten mittelalterlichen Kirchenschätze wird im Berliner Kunstgewerbemuseum aufbewahrt. Der sogenannte Welfenschatz umfasst Goldreliquien aus dem 11. bis 15. Jahrhundert. Gestritten wird seit 2008 um die Teile des Schatzes, die heute Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind. Die Frage: Musste die Gruppe der einstigen jüdischen Besitzer die sakralen Preziosen 1935 in einer Zwangslage unter Wert verkaufen? 

Den Fall konnte die Beratende Kommission vor ihrem Ende nicht mehr klären. Es stelle sich die Frage, ob die Mandanten einem Schiedsgerichtsverfahren vertrauen sollten, sagt Anwalt Stötzel. „Zumal wir seit fast einem Jahr noch auf Akteneinsicht beim Bundeskanzleramt warten und beständig damit hingehalten werden.“

Warum misstrauen die Erben dem Schiedsgericht?

Ein Grund sind Zweifel an der Unabhängigkeit der benannten Schiedsrichter, aus denen die beiden Streitparteien jeweils zwei Kandidaten für ihr Verfahren auswählen. „Auch eine Gleichheit der Waffen gibt es nicht, weil die Informationsmacht mit Akten, Archiven und Provenienzforschung auf staatlicher Seite liegt“, stellt Stötzel fest. Die meisten seiner Mandanten würden wohl erst dann ein Verfahren anstrengen, „wenn das Schiedsgericht echte Unabhängigkeit, Transparenz und Opferorientierung zeigt“.

Welche Alternativen gibt es zum Schiedsgericht?

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag ein Restitutionsgesetz versprochen. Deutschland brauche endlich klare Regeln statt eines Systems, das die Institutionen schütze und die Opfer weiter benachteilige, findet Stötzel. Auch Papier hält so ein Gesetz als rechtliche Grundlage für die sauberste Lösung. (Von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier und Verena Schmitt-Roschmann, dpa)

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