Sam Chermayeff

Der Transformator

Lange spielte Collectible Design in der Kunstszene nur eine Nebenrolle, doch das ändert sich gerade gründlich. Was in Berlin entsteht, ist aufregend und zukunftsweisend. Wir stellen Designerinnen und Designer vor, die die Freiheit der Formen feiern. Folge 5: Sam Chermayeff

Von Sebastian Hoffmann
19.09.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 240

Architektenmöbel dienen meist dazu, die Vision für ein Gebäude zu komplettieren. Bemerkenswert wird es, wenn sie nicht vornehmlich die Linie des Raumes bekräftigen, sondern vor allem zu der Art, wie Menschen darin leben, in Beziehung stehen. Dann sind sie eine einvernehmliche Provokation – so wie die Entwürfe von Sam Chermayeff. Zuerst arbeitete der 1981 geborene New Yorker für die Tokioter Architekten SANAA, für die er unter anderem 2009 den Serpentine-Pavillon in London ausführte. Dann kam er nach Berlin, gründete das Büro June 14 und schließlich Sam Chermayeff Office. Kürzlich trat er eine Professur an der Universität für angewandte Kunst Wien an. Chermayeffs Gegenstände fordern Standards heraus: Sein dreieckiges Bett kann die Kleinfamilie neu konfigurieren. Die Ideen zum „Triangular Bed“ (2018) stammen ursprünglich aus der Möbelserie „For the Nuclear Family and Its Opposite, Together“, die er mit June 14 entwickelt hat. Es ist eines der fantasieanregendsten Möbel der vergangenen Dekade. Deins und meins wird unseres und am besten mehrere. Die Aufhebung einer tradierten Form, das Bett als Viereck, verändert nicht nur den Schlafplatz selbst, sondern den gesamten Raum. Dieser wird geöffnet (das Bett muss freistehen) und neu geordnet (vier Seiten trennen, drei Seiten aber verbinden). Andere Objekte vereinen gütlich menschliche Zivilisationsstufen. Der „Tiny Stove Table“ etwa ist Coffee Table und Feuerstelle zugleich.

Ein Werk von Sam Chermayeff
Verbrenner mal anders – der Mercedes als „Saunarider“. © Foto: Nils Stelte

Diesem offenen Geist dient auch das „Kufu“-Gebäude von June 14, das die gebeutelte Berliner Kurfürstenstraße so bereichert wie Chermayeffs Möbel die Innenräume. Mit etwas Glück entdeckt man auf der Straße auch den „Saunarider“, eine Mercedes-S-Klasse-Sauna. Der zum Spa erweiterte Kanzlerbolide entstand in Zusammenarbeit mit den Design-Künstlerinnen von BLESS und wurde 2022 im KW Institute for Contemporary Art geparkt. Und genutzt. Er gehört zu einer Serie von Chermayeff, die dem Automobil zusätzliche soziale Funktionen abringt und zu der auch ein zur Sonnenliege erweitertes Saab 900 Cabriolet und ein Bartisch-Jaguar XJR gehören. Wer weiß, wie lange diese Verbrennungsmotorschönheiten noch fahren dürfen!

So hat auch Stillstand Potenzial und Nutzen. Die verbreitetsten Entwürfe sind seine Küchen mit ihren beweglichen Funktionseinheiten oder sogar zentralen Badewannenbühnen. Wieder ist die Beziehung der Einzelteile und der sie nutzenden Menschen am wichtigsten und verhandel- und einstellbar. Es geht ihm um die „Feier des Außergewöhnlichen im Gewöhnlichen“. Dank seines Toasters lernt man, anders über Brot nachzudenken. Am liebsten hätte man eine ganze Bäckerei von ihm.

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