Der Künstler Andreas Schulze, der sich seit den Achtzigerjahren konsequent jeder Kategorisierung entzieht, überzeugt mit hintergründigem Witz und eigenwilliger Bildsprache. Nun feiert er seinen 70. Geburtstag
ShareWer sich im Urlaubsmonat August am Wochenende auf die französischen Autobahnen wagt, wird ihn erleben: den Stau. Das ganze Land ist zu dieser Zeit unterwegs. Von Norden nach Süden, von Süden nach Norden wälzt sich die Blechlawine. In beiden Richtungen geht es nur in Schrittgeschwindigkeit vorwärts. Wenn denn überhaupt noch etwas geht.
Als Etappenziel auf dem Weg bietet sich deshalb Dijon an, die alte Stadt in der Region Burgund, strategisch günstig auf halbem Weg gelegen. Dort lockt neben einer malerischen Altstadt und einem prächtigen Herzogspalast in dieser Saison auch eine Ausstellung im Consortium Museum. Der Maler Andreas Schulze zeigt seine Kunst. Und im klimatisierten White Cube, geschützt vor der sommerlichen Hitze waren solche Anblicke plötzlich ein wahres Vergnügen: Lastwagen, Wohnwagen, Sportwagen, Kleinwagen – gemalt in bunten Farben und cartoonhaften Formen und äußerst eng gehängt, quasi Stoßstange and Stoßstange, an der Wand. Hier transportierte ein schnittiges Coupé ein paar Koffer auf seiner Motorhaube, dort ein kleiner Laster mehrere Spulen mit Draht. Über all dem schwebten fein gemalte Abgaswölkchen. Der ganze Wahnsinn der Straße, den man gerade hinter sich gelassen hatte – hier kehrte er als unterhaltsame Parade in der Kunst zurück.
„Traffic Jam“ heißt das große Projekt, an dem Schulze seit den Neunzigerjahren fortlaufen arbeitet. Nicht nur in dieser Serie offenbart sich der hintersinnige Humor des Kölner Malers, sondern auch in anderen Werken: In Dijon ist beispielsweise ein Bild zu sehen, dass ein stilisiertes Sofa zeigt, das formatfüllend vor eine Landschaftsmalerei mit Fluss und Weinbergen im Hintergrund platziert wurde. Es wirkt, als würde Schulze hier dem entscheidungsfaulen Betrachter die Wohnzimmereinrichtung passend zur Wanddekoration gleich kombiniert in einem Werk anbieten. Oder die Bilder und Skulpturen, die auf Barnett Newmans legendäre Malerei „Who’s afraid of red, yellow and blue“ verweisen: Schulze hat vor seine abstrakte Farbexplosion noch ein graues und leicht flauschig wirkendes Gebilde gemalt, das ein wenig an eine handelsübliche Malerrolle erinnert.
Andreas Schulze begann seine Karriere in den Achtzigerjahren, als in Köln und deutschlandweit die Maler der „Neuen Wilden“ Furore machten. Er ist in dieser Strömung nicht mitgeschwommen und hat sich auch sonst nie richtig in eine Schublade pressen lassen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb er immer noch ein bisschen als „Künstler-Künstler“ und Geheimtipp gilt. Heute feiert Andreas Schulze seinen 70. Geburtstag. Und wenn man ihm aus diesem Anlass etwas schenken könnte, dann wäre es, dass noch mehr Menschen seine wunderbaren, humorvollen Bilder entdecken!
Übrigens: Die Ausstellung „Andreas Schulze“ im Musem Le Consortium in Dijon läuft noch bis zum 2. November 2025.