Osmar Osten

Ein bisschen Dada

Osmar Osten ist ein Wort- und Bildartist aus Chemnitz, dessen skurriler Hintersinn, gepaart mit sächsischer Gelassenheit, verlässlich für gute Laune sorgt

Von Ralph Gerstenberg
04.09.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 215

Das Pseudonym Osmar Osten erfand er dann in der Wendezeit. Ein Bekenntnis zum Lebensgefühl und zur Region, aus der er stammt? Ja, na ja … Das sei ja jetzt eigentlich Mitteldeutschland, überlegt Osten, bemerkt die klaffende Schublade und erzählt von der Regionalisierung nach dem Mauerfall, die er erst einmal begreifen musste. Außerdem habe er seine Bilder schon immer mit irgendwelchem Blödsinn signiert, mit Mitzi Mazurka zum Beispiel oder – seit neuestem – mit Rainer Gewinn. Womit ein weiteres Themenfeld angesprochen wäre, auf das Osmar Osten immer wieder gerne zurückkommt: das Geld, die Ökonomie, der Kunstmarkt, auf dem er sich nach der Wende erst mal zurechtfinden musste.

„Geld ist meine Lieblingsfarbe“ heißt ein Bild, auf dem eine zusammengekauerte schwarze Gestalt mit blauen Schuhen zu sehen ist. „Durst ist Geld!“ und „Kein Durst ist kein Geld!“ behaupten zwei sich gegenseitig bestätigende Sprechbilder. Während der Coronazeit montierte er ein Eurostück an seine Gesichtsmaske, als wollte er damit bereits auf die Pandemieprofiteure hinweisen, die später für Schlagzeilen und Unmut sorgten. Mitte der 1990er-Jahre spendete er angeblich sein gesamtes Vermögen für die Erforschung des Lebens der „westafrikanischen Spaltmilbe“.

Osmar Osten
„Geld ist meine Lieblingsfarbe“ war Teil einer Ausstellung in der Neuen Sächsischen Galerie. © Courtesy Neue Sächsische Galerie

Auf den Bildern in Osmar Ostens Atelier finden sich auch seine beiden Lieblingsmotive: Hasen und Schneemänner. In Mailand, wo er eine Zeit lang von der Galleria Salvatore und Caroline Ala vertreten wurde, nannte man ihn wegen seiner auffälligen Vorliebe für schwarze und weiße Schneemänner nur Mr. Snowman. Warum Schneemänner, warum Hasen? Er denke nicht darüber nach, sagt Osten und findet dann doch eine Erklärung. Er mag Motive, die in der Kunstszene nicht so üblich sind. Seine mit breitem Pinselstrich gemalten Hasen glichen ja auch eher Kinderzeichnungen als dem Hasen von Dürer.

Inspirationen, Gedanken, aufgeschnappte Gesprächsfetzen hält Osmar Osten in einem Notizbuch fest, das er stets bei sich trägt. Daraus entstehen viele seiner Sprechbilder – zum Beispiel jenes, das ganz oben auf einem Stapel steht: „Der Führervergleich ehrt mich schon.“ Ein Satz, den er in Wien gehört hat. Ein älterer Herr sagte ihn zu seiner Frau im Vorübergehen. Osten hat ihn nun über einen seiner Hasen geschrieben.

Osmar Osten Atelier
Eines der aktuellen Fischbilder Osmar Ostens, das Bild lässt sich beidseitig aufhängen. © Foto: Catherine Peter

Er sei kein Konzeptkünstler, erklärt er, er folge seinen Impulsen. Und wie man das, was er tue, später interpretiere, darauf habe er sowieso keinen Einfluss. Über seine Reihe „Frauen von hinten“ wurde spekuliert, dass es sich um Frauen handele, die nach der Wende vom Osten in den Westen gegangen seien. Dabei habe er einfach nur Frauen gemalt, die am Strand der Ostsee gestanden und das Meer betrachteten hätten – von hinten eben.

Osmar Osten ist ein Künstler, der oft unterwegs ist. Lehraufträge führten ihn nach Schneeberg und Bilbao, letztes Jahr erhielt er den Hans Platschek-Preis der Art Karlsruhe – wie vor ihm u. a. Jonathan Meese und F. W. Bernstein. Das kleine Notizbuch hat er auf seinen Reisen natürlich immer mit dabei. Seine ebenso gewitzt wie prägnant das Zeitgeschehen kommentierenden Sprechbilder, Objekte und Zeichnungen entstehen jedoch in seiner Heimatstadt Chemnitz, mit der ihn, so ahnt man, vielleicht doch ein wenig mehr verbindet als die billige Miete – und sei es nur eine gewisse sächsische Gelassenheit, die ihn davor bewahrt, sich vom Rummel da draußen verrückt machen zu lassen. 

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