NFT

Ein Hype und seine Folgen

Vor zwei Jahren sorgten sie für Sensationsmeldungen am Kunstmarkt, dann kam die Ernüchterung. NFTs sind heute aus den Schlagzeilen, dafür sie rücken die Digitalkunst verstärkt ins Licht

Von Nina Schedlmayer
18.08.2023
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 13/23

Es war, als wären alle Regeln des Kunstmarkts plötzlich auf den Kopf gestellt: Als im März 2021 Christie’s ein NFT des Grafikdesigners Beeple für 69 Millionen Dollar versteigerte, herrschte Verwirrung. Wie kam es, dass das renommierte Auktionshaus einen Rekord für eine digitale Datei erzielte, deren künstlerischer Anspruch weit unter dem Niveau dessen lag, was sonst hier zu einem Höchstpreis verkauft wurde? Wie konnte es sein, dass eine am Kunstmarkt völlig unbekannte Position plötzlich einen derart absurden Preis erzielt?

Zwei Jahre später geben NFTs keine Sensationsmeldungen mehr her. Höchstens, wenn mal wieder jemand wegen Betrugs verhaftet wird. Mit den Rekorden am Kunstmarkt hat es sich aber offenbar erst einmal. In der Zwischenzeit sind NFTs allerdings in den Institutionen angekommen: Das MoMA stellte den NFT-Star Refik Anadol aus, die Kunsthalle Mannheim seinen Kollegen Christoph Faulhaber und das Linzer Francisco Carolinum die – schon vor dem Beeple-Rekord geplante – Schau „Proof of Art“, die NFTs in einer Geschichte der digitalen Kunst positionierte.

Vom Markt verschwunden sind NFTs keineswegs. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. So berichtete der Ultra Contemporary Art Market Report der Plattform Artprice 2022, dass im ersten Halbjahr 2022 von 277 NFTs 65 Prozent zu einem Durchschnittspreis von 47.000 Dollar verkauft wurden, während im Jahr zuvor in derselben Periode 86 Prozent der 225 offerierten NFTs Abnehmer und Abnehmerinnen fanden, und das zu einer Summe von durchschnittlich rund 520.000 Dollar (das Beeple-Ergebnis dürfte dazu einiges beitragen). Ein ziemlicher Einbruch also, wobei 2022 mehr NFTs zum Aufruf kamen als im Jahr zuvor.

Chatbot Ruja Ignatova CryptoGallery #ONE
Wer Christoph Faulhabers Online-Galerie „CryptoGallery #ONE“ – ein rein digitales Kooperationsprojekt mit der Kunsthalle Mannheim – besucht, wird im Schlafzimmer des virtuellen Lofts von dem „Chatbot Ruja Ignatova“ empfangen, der es ermöglicht, mit der Cryptoqueen in Kontakt zu treten. © Christoph Faulhaber / Kunsthalle Mannheim 202

Interessanterweise brachen die Umsätze vor allem bei NFTs ein, die dem Kunstbereich zugeordnet wurden, im Gegensatz beispielsweise zu solchen, die schlicht unter den Begriff „Collectibles“ fallen. Das stellte Clare McAndrew in ihrem Art Market Report der Art Basel fest, der einen 49-prozentigen Rückgang an NFT-Verkäufen registriert. „Dieser Rückgang der Verkäufe im Kunstsegment war signifikant schlechter als die Performance von NFTs generell (die quer durch alle Segmente nur um 12 Prozent zurückging)“, so McAndrew.

Dass NFTs, auch wenn sie in Auktionshäusern zum Aufruf kommen, stark außerhalb der traditionellen Kunstwelt zu verorten ist, zeichnete sich bereits 2021 ab. Die kommerziell erfolgreichsten NFTs, die als Kunst wahrgenommen werden wollen, hätten in der Welt der Museen und Galerien wenig Chancen. Die Qualität von Arbeiten eines jungen Mannes mit Pseudonym Fewocious erschließt sich für Kunstfans nicht, dennoch kommen sie bei Christie’s in die Auktion.

Die Website des Hauses vermerkt stolz, dass der heute 20-Jährige von 2020 bis 2022 rund 50 Millionen Dollar mit seinen NFTs verdient habe. Die Motive? Halb lustige, halb schaurige Elaborate eines Teenagers mit Weltschmerz, in denen collageartige Gesichter monströse Deformierungen erleiden. Auf seiner Website vermerkt Fewocious, dass seine Bilder „Schnappschüsse seiner Erinnerungen und einen Spiegel in sein Herz“ darstellen. Banaler geht es kaum.

CyptoGallery #One
Willkommen im Crypto-Land: Außenansicht der „CyptoGallery #One“ im Decentraland. © Christoph Faulhaber / Kunsthalle Mannheim 2022

Kulturpessimismus ist dennoch fehl am Platz. Denn immerhin rückten durch den NFT-Hype die Digitalkunst sowie ihre Pioniere und Pionierinnen verstärkt ins Licht. Auch Auktionshäuser unternehmen Bemühungen, das – gar nicht so neuartige – künstlerische Medium in seine Geschichte einzuordnen. Kürzlich startete Sotheby’s eine Auktion mit der frühen Digitalkünstlerin Vera Molnár, die 1924 geboren ist und heute in Paris lebt. Das Auktionshaus bot eine Serie von 500 computergenerierten Kunstwerken („Themes and Variations”, eine Kollaboration mit Martin Grasser) an, Molnárs erstes „only on-chain generative art project“, wie es hieß, eine „persönliche Reflexion ihrer jahrzehntelangen Praxis mit der ‚machine imaginaire‘“.

Auch Positionen wie der jüngst verstorbene Österreicher Herbert W. Franke und die 1927 geborene Lillian Schwartz, die 2022 bei der Biennale von Venedig gezeigt wurden, kommen in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit. Es sind Künstlerinnen und Künstler, die sich auf seriöse Weise mit dem Digitalen befassen, und das seit langer Zeit.

So führten ausgerechnet die banalen Elaborate der hochgehandelten NFT-Artists dazu, dass sich die Perspektive auf die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts weitete. Nicht die übelste Folge eines irreal erscheinenden Hypes.

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