Kaum eine TV-Serie war in jüngster Zeit so stilprägend wie die um den New Yorker Medienmogul Logan Roy und seine Erben. Unsere Interiorkolumne schaut in Folge 16 fasziniert auf ihre holzgetäfelten Apartments, mit Kunst bestückten Häuser und chromglänzenden Büros
ShareCandle sitzt übrigens so gut wie nie. Er steht und brennt. Allerdings hat er auch kein Büro mehr. Sein „War Room“ ist die Wohnung seiner Exfrau. Downtown im Woolworth Building gelegen, strahlt sie im Gegensatz zu all den abwaschbaren Oberflächen der Roy-Räume so etwas wie Wärme und Refugium aus. Es gibt gemusterte Tapeten und leicht geblümte Vorhänge, etwas freche Tierprints, Rattanmöbel und Bücherregale. Dafür ist die Kunst hier harmloser, naschende Balletttänzerinnen, Blumenstillleben, terrakottafarbene Fassadenbilder.
Nur auf uns hat schon wieder niemand gehört: Das Bild hängt ein bisschen hoch, aber gut, was will man machen bei all der Holztäfelei, hier sogar echt aus dem 19. Jahrhundert. Denn Lady Caroline Collingwood ist Engländerin. Zu Hause bei der Mutter von Candle, Chiffon und Roman geht es trotz ihres ansonsten eher Dries-van-Noten-haften Kleidungs- und fiesen Konversationsstils etwas traditioneller zu, chintzig und handgemacht, geradezu untypisch mütterlich. Es gibt sogar Selbstgekochtes, bevor sie ihre Kinder aus erster Ehe zur verbalen Schlachtbank führt. Insofern ist die Beziehung zu ihnen so anderthalbdimensional wie die moderne Malerei in ihrem Esszimmer.
Weniger subtil als das Bühnenbild war das Poster, das die erste Staffel, aber auch die Eindeutigkeit der Bezüge zur Bildenden Kunst ankündigte. Wie nennt man es, wenn der Hintergrund zur Hauptsache wird? Dieses „Succession“-Poster lässt Peter Paul Rubens nämlich vieles vorwegnehmen. In der „Tigerjagd“ von 1615 ist ungeklärt, wer Jäger oder Beute ist, Sieger oder Opfer. Bestie und Mensch sind in feindseliger Dynamik vereint. Dass dieses Bild napoleonische Beutekunst ist, macht die Sache für die Roys nicht besser, aber das Poster umso brillanter.
Auf den ersten Blick ist es natürlich wieder das Gemälde an der Stirnseite, welches inhaltlich den Schwerpunkt des Posters zur zweiten Staffel der Serie bildet. William Bouguereaus lässt Dante (uns) und Virgil (die Serienmacher) bei ihrem Ausflug in die Hölle zusehen, wie zwei Verdammte sich gegenseitig zerfleischen. Was dieses Familienporträt — inzwischen sind auch Chiffons Gatte Tom Wambsgans (!) und Cushion Greg Teil der Versuchsanordnung — aber so quintessenziell amerikanisch macht, ist seine Komposition. Sie fußt auf Norman Rockwells „Freedom from Want“ von 1943, als ob die Schlacht auf den Truthahn eröffnet ist. Das macht den Witz dahinter nur noch perfider. Denn Rockwell illustrierte Franklin D. Roosevelts Rede zur Lage der Nation von 1941: „Freiheit von Mangel bedeutet, dass jedes Volk ein gesundes Leben in Friedenszeiten für seine Bewohner sicherstellen kann.“