Kunstwissen

Frisch promoviert

Rund zweihundert kunstgeschichtliche Doktorarbeiten werden jährlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz publiziert: Wir stellen Ihnen die interessantesten vor, zum Beispiel die von Dirk Pörschmann, dessen Buch über Zero und Reinheit soeben erschienen ist.

Von Dirk Pörschmann
15.03.2018

Was ist Ihr Thema?

„Evakuierung des Chaos – Zero zwischen Sprachbildern der Reinheit und Bildsprachen der Ordnung.“ Ich habe untersucht, in welchen Kontexten die Künstler der internationalen Zero-Bewegung den Begriff der Reinheit verwendet haben und ob er sich auch in ihren Kunstwerken manifestiert hat.

Wie sind Sie darauf gekommen?

Als ich durch die Lektüre zahlreicher Zero-Texte der 1950er- und 60er-Jahre bemerkte, dass viele Zero-Künstler die Metapher der Reinheit für ihre künstlerische Arbeit benutzen, packte mich ein Unbehagen, dem ich auf den Grund gehen musste. Ich habe mich gefragt, ob in den Nachkriegsjahren ein kollektiver blinder Fleck in Bezug auf die Terminologie der Reinheit und ihren Ausprägungen in der Kunst existierte. Wie konnten nach all den Reinigungsexzessen der Nationalsozialisten die Sprachbilder der Reinheit überleben?

Wie würden Sie Ihrem Nachbarn das Thema erklären?

Ich würde ihm jeweils einen Text von Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker vorlesen und ihm dazu einige Werke von verschiedenen Zero-Künstlern zeigen. Ich würde darauf setzen, dass sich bei meinem Nachbarn ein ähnliches Unbehagen einstellen würde, wie ich es empfunden habe.

Welche Ihrer Thesen wird die Gemüter Ihrer Fachkollegen erhitzen?

Der Idee „Zero“ ist das Negieren und Reinigen eingeschrieben. Diese Vorgänge sind für die Etablierung einer Zäsur geradezu essenziell, denn stets gibt es etwas vor der Markierung „Null“, das ausgeräumt werden muss. Hier findet sich das aggressive Moment der lebensbejahend optimistischen Zero-Bewegung, und dieses richtete sich vor allem gegen die informelle Kunst, aber auch gegen den Nouveau Réalisme.

 

Was war der schönste Moment Ihrer Recherchen?

Davon gab es viele. Der gemeinsame Nenner dieser Momente war, dass sie sich alle in direkten und persönlichen Kontakten zu Künstlern und Sammlern ereigneten.

Was war die schwierigste Phase?

Das war die Zeit, bevor es tatsächlich ans Schreiben ging. All die Recherchen, die unzähligen Quellen und die vielen Details in Verbindung mit den eigenen Erwartungen an eine klare Struktur und stringente Argumentation können eine große Unruhe erzeugen, die sich bedrohlich anfühlt. In dieser Phase hätte ich es nie für möglich gehalten, dass sich tatsächlich einmal alles in meiner Vorstellung abbilden würde. Als jedoch genau dies eingetreten war, gab es kein Halten mehr. Kurz nach Abgabe der Arbeit löste sich dieser „ganzheitliche“ und ziemlich befriedigende Zustand jedoch rasch wieder auf. Ich erinnere mich gerne daran und bin über diese Erfahrung sehr dankbar.

Haben Sie beim Schreiben seltsame Marotten entwickelt?

In der totalen Klausurphase musste ich immer wieder den Ort wechseln, an dem ich schrieb. Vom Schreibtisch zu einem Stehpult auf mein Bett und wieder zurück. Das spielte sich stets in Phasen ab. Sonst wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen. Nur so konnte ich ihr ausweichen.

Welcher Snack hat Sie durch harte Stunden gebracht?

Cashewkerne und weißer Tee.

An welcher Universität haben Sie die Dissertation eingereicht?

An der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Meine Betreuer waren Wolfgang Ullrich und Walter Grasskamp.

Wieviele Seiten hat die Publikation?

288.

In welchem Verlag ist sie erschienen?

Sie ist in der Kunstwissenschaftlichen Bibliothek im Verlag der Buchhandlung Walther König in Köln erschienen. Die Publikation ist Band 55 der von Christian Posthofen herausgegebenen Reihe.

Und jetzt? 

Auf zu neuen Ufern! Seit dem 1. Januar leite ich das Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Da gibt es viel zu gestalten und zu erforschen, denn die Bestattungskultur erfährt seit zwei Jahrzehnten einen radikalen Wandel, und das Museum für Sepulkralkultur ist die zentrale Institution in Deutschland, um dies zu vermitteln. Meine wissenschaftliche Heimat „Zero“ werde ich natürlich auch nicht verlassen, denn ich bleibe weiterhin Mitglied des international besetzten, wissenschaftlichen Beirats der Zero Foundation in Düsseldorf.

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