Kunstwissen

Missglückter Wurf: Erste Erfahrungen mit dem Kulturgutschutzgesetz

Seit dem 6. August 2016 ist das neue Kulturgutschutzgesetz in Kraft. Während es vom Gesetzgeber – insbesondere von Staatsministerin Monika Grütters – als großer Wurf verkauft wird, zeichnen die Erfahrungen in den Ländern ein differenzierteres Bild.

Von Hannes Hartung
27.02.2018

Mit dem neuen Gesetz wurde das Listenprinzip aufgegeben und durch das Kategorienprinzip ersetzt. In jedem Einzelfall muss man daher die Alters- und Wertgrenze festlegen. Bereits hier gab es in der Praxis erhebliche Probleme. So wurde beispielsweise von Münzhändlern verlangt, für jede ihrer Tausenden von Münzen eine genaue Beschreibung abzugeben – dass eine solche Auflage unzumutbar ist, versteht sich von selbst.

Auch waren die Bearbeitungszeiten für die Ausfuhranträge erheblich länger als die gesetzlich vorgesehenen zehn Tage. Die Spanne reichte von noch akzeptablen 13 bis hin zu 96 Arbeitstagen. Ohnehin kennt das Gesetz hier viele Schlupflöcher: Beispielsweise kann man von Behördenseite externen Sachverstand einholen und so das Verfahren in die Länge ziehen. In einigen Bundesländern gibt es darüber hinaus noch immer keinen Sachverständigenausschuss beziehungsweise keine Informationen darüber. Dies gilt – Stand 15. Januar 2018 – für Brandenburg, Bremen, Saarland und Thüringen.

Bei der Einfuhr von Kulturgütern aus dem Ausland ist es bereits zu massiven Problemen gekommen. Ein Kunsthändler aus Dänemark mit afghanischer Nationalität, der auf der Münchner Münzenmesse „Numismata“ ausstellte, wurde sogar behandelt wie ein Dieb und über Monate in Haft genommen. Man nahm einfach an, dass seine Exponate aus Raubgrabungen stammen beziehungsweise geplündert wurden, weil er keine Herkunftsnachweise vorlegen konnte. Dabei ist es in den meisten Fällen gar nicht möglich, solche Nachweise zu erbringen – weil es sie schlicht und ergreifend nicht gibt. Die Strafbarkeitsrisiken im neuen Gesetz sind also erheblich gestiegen.

Im ersten großen Fall nach dem KGSG hat sich das Land Nordrhein-Westfalen dann doch dafür entschieden, die Skizzenbücher „Projekt Westmensch“ von Joseph Beuys nicht als nationales Kulturgut zu deklarieren. Schon in diesem Fall zeigte sich, dass der Staat mittels des KGSG durchaus versucht, eigene Erwerbsinteressen durchzusetzen. So etwas hat natürlich nichts mit Kulturgutschutz zu tun und ist rechtsmissbräuchlich. Die aktuellen Planungen in der Europäischen Union lassen zudem befürchten, dass die Rahmenbedingungen noch weiter verschärft werden. Am 13. Juli 2017 wurde ein Arbeitspapier der europäischen Kommission veröffentlicht, das den Kunsthandel in die Nähe des internationalen Terrorismus stellt. Ich zitiere aus der Pressemitteilung vom 13. Juli 2017, in der Frans Timmermans, der Erste Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Geld ist Sauerstoff für terroristische Organisationen wie der Islamische Staat. Daher ergreifen wir Maßnahmen, um sämtliche ihrer Finanzierungsquellen zu kappen. Eine davon ist der Handel mit Kulturgütern, da Terroristen sich Geld verschaffen, indem sie archäologische Stätten plündern und Kulturgüter illegal verkaufen. Indem diese Güter gar nicht erst in die EU eingeführt werden können, wird diese Finanzierungsquelle an der Wurzel angegangen werden.“

Mehrere Maßnahmen sind geplant, um die unerlaubte Einfuhr von Kulturgütern künftig deutlich schwieriger zu gestalten:

– Die Festlegung einer neuen, EU-weit einheitlichen Kulturgut-Definition, die bei der Einfuhr gilt und die unterschiedlichsten Objekte umfasst – unter anderem archäologische Fundstücke, Schriftrollen, Reste historischer Monumente, Kunstgegenstände, Sammlungen und Antiquitäten. Die neuen Regeln gelten nur für Kulturgüter, die nachweislich einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, das heißt zum Zeitpunkt der Einfuhr mindestens 250 Jahre alt sind.

– Die Einführung eines neuen Genehmigungssystems für die Einfuhr von archäologischen Objekten, Teilen von Monumenten sowie alten Manuskripten und Büchern: Importeure werden vor der Einfuhr solcher Waren in die EU von den zuständigen Behörden Einfuhrgenehmigungen einholen müssen.

– Für andere Arten von Kulturgütern werden Importeure ein strengeres Zertifizierungssystem durchlaufen müssen: So wird eine unterzeichnete Erklä- rung oder eine eidesstattliche Versicherung abzugeben sein, mit der bestätigt wird, dass die Waren rechtmäßig aus einem Drittstaat exportiert wurden.

– Zollbehörden werden in Zukunft die Befugnis haben, Waren zu beschlagnahmen und einzubehalten, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die zu importierenden Kulturgüter legal exportiert worden sind.

Interessant ist, dass auf europäischer Ebene insbesondere Kulturgüter in den Fokus genommen werden, die mindestens 250 Jahre alt sind. Das steht in scharfem Kontrast zum deutschen Gesetz, in dem 50 oder 75 Jahre in der Regel schon genügen, um ein Objekt relevant zu machen. So wird das neue Jahr in jedem Fall sehr spannend werden. In Deutschland steht die erste Evaluierung des Gesetzes zum Verwaltungsaufwand an – allerdings ist zu befürchten, dass sie nicht objektiv ausfallen wird. Vermutlich wird der Gesetzgeber sein missglücktes Werk einfach weiterhin loben. War im Rahmen der Jamaika-Verhandlungen noch von einer echten Überarbeitung des KGSG die Rede gewesen, wurde es in den Sondierungsgesprächen zur Großen Koalition leider mit keiner Silbe mehr erwähnt. Ein „Weiter-so“ darf es in diesem Fall aber nicht geben. Hier ist auch Ihr Engagement gefragt. Haken Sie nach und sprechen Sie Politiker aller Ebenen auf Missstände durch dieses Gesetz an. Ich jedenfalls stehe Ihnen zum weiteren Austausch auch gerne persönlich zur Verfügung.

Service

Informationen

Dr. Hannes Hartung ist seit über 15 Jahren auf internationales Kunstrecht und Kulturgüterschutz spezialisiert. Als Rechtsanwalt war er in zahlreiche bedeutende Kunstrechtsfälle involviert, unter anderem zum „teuersten Teppich der Welt“. Die Liste seiner Mandanten reicht von Cornelius Gurlitt, über den Joseph Beuys Estate bis hin zur Stadt München (Paul Klee, „Die Sumpflegende“). Seit 2006 lehrt Hartung darüber hinaus regelmäßig Kunstrecht an den Universitäten in München, Graz und Hagen. Für Kunst und Auktionen schreibt er regelmäßig in der Rubrik „Kunst und Recht“.
www.themis.partners

Dieser Beitrag erschien in

Kusnt und Auktionen Nr. 2 / 2018

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