Kunstwissen

Kunst im Netz - Ein „Who is Who“ der Renaissance

Bei hoher künstlerischer Qualität sind die Dargestellten alter Porträts oft unbekannt. Das Netz hilft bei der Personensuche.

Von Peter Dittmar
17.01.2018

Wer Auktions- und Bestandskataloge Alter Kunst durchblättert, stößt immer wieder auf attraktive Porträts, die sich mit Titeln wie „Bildnis eines Höflings“, „Porträt eines vornehmen Herren im roten Rock“ etc. begnügen müssen. Vor allem die Bilder edler Damen haben sich nur zu oft mit beschreibenden, nichtssagenden Titulaturen abzufinden. Dabei mangelt es den meisten dieser Renaissance-Porträts, die sich nur Standespersonen und Wohlhabende leisten konnten, nicht an allerhand Hinweisen auf die Familie, den Status und die Profession. Diesen Spuren nachzugehen, bedarf jedoch einer Vertrautheit mit Genealogie, Emblematik, Heraldik, Medaillenkunde sowie der (Militär-)Geschichte. Vor allem aber müssen dabei Spürsinn und Ausdauer zusammengehen. Denn die Wege, die sich als Sackgassen erweisen, sind zahlreicher als die schmalen Pfade, die zu befriedigenden Ergebnissen führen. 

Christoph Wilhelmi, lange leitend in einem Verlag tätig, hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen. 2011 erschien sein Buch Porträts der Renaissance – Hintergründe und Schicksale (Reimer Verlag), das 24 Personen – unter anderem von Carpaccio, dem älteren Cranach und dem jüngeren Holbein gemalt – mit Namen und Biografie versehen hat. Die Fortsetzung firmiert als „Galerie bisher unbekannter Portraits der Renaissance“ (www.renaissance-port.de) im Internet. Dort werden unter „Aktuell“ vier weitere Frauenporträts der Anonymität entrissen, darunter Hester Fuggerin von Wolf Traut (Abb.) und Elisabeth von Bayern, wahrscheinlich von Hans Maler. Wilhelmi verzichtet allerdings auf apodiktische Feststellungen, denn seine Folgerungen beruhen auf Indizienbeweisen, die den unterschiedlichsten, manchmal scheinbar höchst entlegenen Quellen entstammen. Sie werden Schritt für Schritt zitiert und diskutiert. Bei den Damen-Porträts sind sie allerdings besonders karg, weil Frauen nur selten einer Biografie würdig erachtet wurden, sodass oft selbst Geburts- und Sterbedaten fehlen. Nur das Hochzeitsdatum ist gewöhnlich bekannt: aus dem Lebenslauf des Mannes. Deshalb bleiben Frauen unter den 92 Porträtierten in der Minderheit. 

Als hilfreich bei dieser Identifizierung haben sich wiederholt die Plaketten erwiesen, die als modisches Accessoire im 15. / 16. Jahrhundert am Barett getragen wurden. Wenn sie deutlich abgebildet sind, was nur bei einem Teil der Gemälde zutrifft, lassen sie sich mit den Impresen vergleichen, die damals oft als persönliches Motto gewählt wurden. Die setzen sich aus einem emblematischen Bild, einem Sinnspruch sowie einem Epigramm – auf das bei den Plaketten allerdings verzichtet wurde – zusammen, mit denen der Träger (ein wenig verrätselt) sein Selbstverständnis kundtun wollte – gewöhnlich als repräsentative Goldschmiedearbeit. Dass das auf einen kleinen Kreis beschränkt blieb, verrät der Titel der von Giovanni Battista Pittoni zuerst 1562 und dann 1602 in Venedig verlegten Imprese di diversi principi, duchi, signori e d’altri personaggi et huomi illustri mit Beispielen von Kaiser Ferdinand bis zu Lavinia Della Rovere (http://bit.ly/2CwHMBo sowie – mit Quellen und Registern – http://bit.ly/2A7yI0K). Dass dabei die Grenzen zum Emblem fließend sind, macht ein Vergleich mit den zahlreichen Emblem-Büchern (s. KUA 8 / 2016, S. 46) deutlich.

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Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN 1/2018

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