Kunstwissen

Hans Pels-Leusden: Die Lust am Malen

Als Händler, Mäzen und Gründer des Auktionshauses Villa Grisebach wär er prägend für das Kunstleben West-Berlins. Dass Hans Pels-Leusden auch selbst malte, wissen die Wenigsten. Gudrun Fritsch hat ein materialreiches Buch über ihn herausgebracht. Aus diesem Anlass erzählt sie die bewegende Geschichte hinter seinem „Selbstbildnis“.

Von Gudrun Fritsch
20.09.2017

Er war Kunsthändler, Mäzen, einer der Gründer des Auktionshauses Villa Grisebach, und er rief das Berliner Käthe-Kollwitz-Museum ins Leben. Doch dass Hans Pels-Leusden auch selbst Künstler war, ist außerhalb von Berlin heute den wenigsten bekannt. „Das Leben mit der Kunst ist wie ein Leben im Himmelreich!“, schien es dem Siebzehnjährigen aus Lüdenscheid, der sich in seinem frühen Selbstbildnis von 1925 in Ölfarbe mit dicken, schwarzen Umfassungslinien malte. Ein selbstbewusster junger Mann aus großbürgerlichem und kunstsinnigem Hause schaut dem Betrachter entgegen, mit Zuversicht in sich und in die Welt. Dieses frühe Meisterstück, schreibt Arnold Bauer im Vorwort zum Katalog einer Ausstellung in Rom im Jahr 1980, „hätte erwarten lassen, der Künstler stände am Anfang einer großen Laufbahn eines versierten Porträtisten der ihn umgebenden weltstädtischen Gesellschaft“.

„Ich hatte es in einem Zug runtergemalt.“

In seinen fragmentarischen, handschriftlichen Notizen beschreibt Pels-Leusden die nebenstehende Abbildung stolz als „Selbstbildnis in Lebensgröße, das bis heute besondere Beachtung findet, unter Kennern wird es als vollgültige Leistung bewertet. Im Gestus draufgängerisch und sehr farbintensiv, war es durchaus ähnlich. Ich hatte es in einem Zug runtergemalt.“ Unwiderstehlich zog Berlin den jungen Mann an, „wo mich der als Lehrer besonders angesehene Prof. Willy Jaeckel in seine Kunstschule aufnahm, nachdem mein Entschluss, Maler zu werden, definitiv feststand“.

Paul Klee war von Pels-Leusden begeistert

Zuvor hatte Pels-Leusden die Aufnahmeprüfung an der Düsseldorfer Akademie bestanden, „mit einem ungewöhnlichen Sondererfolg, indem die Bewerber ihre eingereichten Arbeiten nach 14 Tagen zurückerhielten, während mir beschieden wurde, das Lehrerkollegium (u. a. Paul Klee) würde sich im besonderen Masse für meine Arbeiten interessieren und möchte sie noch eine Zeitlang behalten“. Zu Beginn des Semesters fuhr er nach Düsseldorf, „nahm aber aus unüberwindlicher Abneigung gegen den Akademiebetrieb das Studium nicht auf“. Auch ohne akademischen Abschluss hatte Pels-Leusden beachtlichen Erfolg als Maler. Die erste Gemeinschaftsausstellung fand 1932 in Berlin unter der Schirmherrschaft des für neue Strömungen aufgeschlossenen und im Staatsdienst arbeitenden Reichskunstwarts Edwin Redslob statt. Dieser Erfolg setzte sich 1934 mit der ersten Einzelausstellung in der angesehenen Berliner Galerie von Karl Nierendorf fort. Ein Jahr später stellte er dort gemeinsam mit Malerkollegen zum zweiten Mal aus. Der junge Maler war in der Kunst angekommen und genoss seine zunehmende Etablierung. Aber die zeitgeschichtlichen Ereignisse warfen mit Weltwirtschaftskrise, Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem erbitterten Kampf um die expressionistische Kunst ihre Schatten auf das anregende Leben. Er wurde Soldat. Als Maler konnte er sich vorerst nicht mehr definieren.

Ausgebombter Künstler: Pels-Leusdens verlorenes Frühwerk

37-jährig kehrte er 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Im Zweiten Weltkrieg war seine Berliner Atelierwohnung völlig­ zerstört worden. Sein gesamtes Frühwerk war verloren. So bezeichnete er sich realistisch, aber nicht resigniert als einen der „ausgebombtesten“ Künstler. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sich Hans Pels-Leusden als Maler wiederfand. Zunächst baute er mit Elan und Zielstrebigkeit, auch mit der nötigen Portion Glück, eine bekannte Berliner Kunstgalerie auf. Jahrzehnte später, 1986, gründete er dann mit Beständen aus seiner eigenen Sammlung das Käthe-Kollwitz-Museum und war bis zu seinem Lebensende 1993 dessen erster Museumsdirektor.

Kein Tag ohne Malen

Gleichwohl, so behauptete er in seinen unveröffentlichten Notizen, gab es „keinen Tag ohne Malen“. Jeden Tag zu Pinsel oder Stift zu greifen war ihm lebensnotwendiges Elixier, das alle seine Tätigkeiten beflügelte. Jedoch erst 1972 entschloss er sich, wieder mit eigener Kunst an die Öffentlichkeit zu treten. Viele, die ihn lange kannten, waren erstaunt über die Fülle seiner künstlerischen Werke. Das Fachpublikum war ebenso verblüfft. Einhelligkeit herrschte in der Einschätzung der Qualität der Arbeiten. Bewunderung stiftete seine schöpferische Vielfalt. Im Sommer weilte er monatelang am Thuner See, um zu malen. Dort entstanden zarte, nebelverschleierte Landschaftsaquarelle des Sees in bestem Turner’schen Sinne. Das Tessin, teils alpin, teils mediterran, war sein seit Jahren erträumtes und geliebtes Arkadien. Noch in seinen letzten Arbei­ten, die im Jahr 1992 in seinem Oberhofener Hotelatelier entstanden, bewies er poetische Imagination. Ausgeführt in einer ungewöhnlichen Technik: chinesische Tusche auf Leinwand oder Papier, gelegentlich akzentuiert durch Kreidelasuren. Er entwickelte eine leichte, meditative Atmosphäre. Anmutig wie chinesische Gedichte. Farbintensive Sonnenblumenaquarelle, die als stilistische Weiterentwicklungen Nolde’scher Blumenaquarelle gelten können.

Pels-Leusden als Gratwanderer zwischen den Welten

Im Spätwerk ist dann die bemerkenswerte Gleichzeitigkeit von zarten, feinfühligen Blumenaquarellen und von Landschaften mit kraftvollen abstrakten Formen, die Anknüpfungspunkte in den Werken eines Jackson Pollock oder späteren Sam Francis finden, zu beobachten. Folgerichtig ist Hans Pels-Leusden eben nicht als Expressionist der zweiten Generation oder gar als ein Epigone der großen Meister aus den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts zu sehen. Auch war er niemals ein durchweg „Abstrakter“ – durchaus jedoch ein Gratwanderer zwischen den Welten der absoluten Farbe und der in sanften Konturen erfassten Gegenständlichkeit. Er entwickelte sich mit den Jahren zu einem Meister im Aufspüren des „Seelenklimas“ einer Landschaft. Das schwer bestimmbare Atmosphärische lag ihm und zog ihn an: die Spiege­lung eines mondüberglänzten Sees, die graublauen Tönungen der Bergschichten und Gipfellinien im Tessin, die weißen Nebelschwaden über den Tälern oder das dramatische Spiel der Wolken über dem Meereshorizont.
Er vermochte spontane Anschauung mit meditativer Reflexion zu verbinden. Auch seine freien Farbkompositionen sind von Meditation geprägt. Eine an fernöstliche Motive erinnernde Zeichensprache. Sie ist niemals abstrakt konstruiert, sondern stets Ausdruck einer den Naturformen zugewandten Sensibilität. Sie erschloss sich ihm in einer traumhaften Sicht des Realen. Sowohl bei seinen Schwarz-Weiß-Impressionen als auch in den farbigen Kompositionen durch sanft abgestimmte Kontraste. Und im zarten Grau und geheimnisvollen Dunkel der Nachttöne seiner Landschaftsvisionen offenbart sich hier und da sogar der durchscheinende Glanz kosmischer Welten. All das vereinbarte der Maler Hans Pels-Leusden in seiner Persönlichkeit und in seinem Werk: Die Poesie des Traumwandlers ebenso wie die sinnliche Freude an der Natur und die Neufindung einer abstrakten Formensprache.

Dr. Gudrun Fritsch war viele Jahre lang ehrenamtliche stellvertretende Leiterin des privaten Käthe-Kollwitz-Museum Berlin.

Service

Buch

Gudrun Fritsch: Hans Pels-Leusden in seliger Mal-Lust. Mit Beiträgen von Julia Fernow, Ralph Jentsch und Ludwig Lange. Hrsg. vom Käthe-Kollwitz-Museum und grafische Sammlung Hans Pels-Leusden e.V., 128 S., Lukas Verlag, Berlin 2018, 20 Euro

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