Kunstwissen

Kunst im Netz - Was den „Hinkenden Bott“ mit „Schellen-Ursli“ verbindet

Zwei Websites halten einen großen Fundus an Archivalien aus der Schweizer Pressegeschichte bereit. 

Von Peter Dittmar
23.09.2016

Es ist ein scheinbar unergründlicher Zeitungskiosk – allerdings mehr dem Gestern als dem Heute zugewandt. Will man wissen, was Schweizer Zeitungen über „Giacometti“ berichteten, findet man unter www.e-periodica.ch 6333 Nachweise und unter www.schweizerpressearchive.ch nochmals 4519. Auf Giovanni eingegrenzt sind es 1808 beziehungsweise 578; auf Alberto 2058 beziehungsweise 1075. Der älteste zu Alberto findet sich im lokalen Heimatschutz von 1927. Gottardo Segantini, der Maler und Sohn von Giovanni Segantini, schreibt da in „Über das Bergell“: „Es ist die Wiege von zwei großen Schweizer Malern, Giovanni und Alberto Giacometti, und wir werden bald von einem dritten Giacometti hören, von Alberto.“ Solche und viele ähnliche Entdeckungen kann man in Schweizer Zeitungen und Zeitschriften machen, die die Nationalbibliothek in Bern online gestellt hat – immerhin 12,1 Millionen Seiten, wenngleich lediglich 5,7 Promille des Gesamtbestands. Aber selbst dieser scheinbar bescheidene Fundus, in dem Kunst und Künstler, Architektur und Archäologie, Numismatik und Gartenkunst nur einen Teil bilden, beschert bemerkenswerte Ergebnisse, weil er weit in die Historie führt. So zeigt der Alte und neue grosse Staats-, Kriegs- und Friedens Appenzeller-Calender, oder, Der hinkenden Bott, der von 1722 bis 1837 erschien, in seiner ersten Ausgabe unter anderem den Holzschnitt „Figur und Bedeutung des Aderlassens“ (Abb.) mit Hinweisen auf die „zwölf himmlischen Zeichen / wie ein jedes des Laßmanns Figur berühre / und den Menschen beherrsche“. 

Erfasst sind knapp 500 wissenschaftliche und populäre Zeitschriften mit allen Jahrgängen. Dazu gehören als kunstnah unter anderem Librarium: Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft, Cartographica Helvetica, Du, Kunst + Architektur in der Schweiz, Revue suisse de photographie und Collection cahiers d’artistes (die jeweils einen jungen Künstler vorstellt). Das Inhaltsverzeichnis kann man als Liste oder mit Seitenminiaturen aufrufen. Außerdem werden die Zeitschriften samt ihrer Vorgänger und Nachfolger knapp vorgestellt. So darf man im Nebelspalter blättern, allerdings nur in den ersten hundert Jahrgängen bis 1974. Denn wie bei werk, bauen + wohnen, dem Bulletin / Keramik-Freunde der Schweiz etc. soll eine Schonfrist von sechzig Monaten die kommerziellen Chancen der aktuellen Ausgaben schützen. Diese Rücksichten muss www.schweizerpressearchive.ch nicht nehmen, denn die rund vierzig Zeitungen – von den Schweizerische Tag-Blättern von 1798 als ältester und der 1976 eingestellten Tat als letzter – sind nicht mehr auf dem Markt. Bei beiden Datenbanken erlauben eine Volltextsuche und eine Erweiterte Suche – die sowohl Antiqua wie Fraktur erkennen – gezielt nach Namen, Orten, Begriffen zu forschen. Das kann als Stichwort auch der Schellen-Ursli, das berühmteste Schweizer Kinderbuch sein. Allerdings hat die Volltextsuche bei www.e-periodica.ch ihre Tücken. Mit „Schellenursli“ erzielt man „0 Ergebnisse“. Da muss man schon korrekt nach „Schellen-Ursli“ fragen – oder den Weg über die Erweiterte Suche einschlagen. Dieselbe Genauigkeit wird beispielsweise auch bei dem Maler Varlin verlangt, dem nur mit „Guggenheim-Varlin“ auf die Spur – mit immerhin 218 Fundstellen – zu kommen ist. www.schweizerpressearchive.ch gibt sich nicht so pingelig. Da werden „Varlin“ wie „Schellenursli“ als Suchbegriffe akzeptiert. Da ist der Zeitungskiosk gründlich, nicht unergründlich.

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