Kunstwissen

Kunst im Netz - „Teaching! Pow! Comics! Bam!“

Comics zwischen Ostalgie und Wissenschaft

Von Peter Dittmar
01.09.2016

Deutschland gilt gemeinhin nicht als Comicland. Da haben Amerika wie Frankreich / Belgien einen ganz anderen Nimbus. Aber deswegen ist das Terrain zwischen Nord- / Ostsee und den Alpen keine Comicwüste. Immerhin bemüht sich der Comic-Salon Erlangen, der alle zwei Jahre stattfindet, mit dem Max und Moritz-Preis (http://bit.ly/2bCgHze) die Aufmerksamkeit auf Künstler und Neuerscheinungen aus Deutschland zu lenken, indem er, auf deutschsprachig festgelegt, den besten Künstler, Comic, Comic-Strip, Kinder-Comic und die „beste studentische Comic-Publikation“ – neben vier international ausgerichteten Preisen – auszeichnet.

Auch das Goethe-Institut hofft mit der Seite „Deutschsprachige Comics“ (http://bit.ly/2bR4ac0) bekannt zu machen, was sich auf diesem Gebiet im Lande tut. Deshalb stellt es die involvierten Institutionen, Zeitschriften, Autoren sowie die verschiedenen Comic-Genre vor – allerdings weitgehend nur beschreibend und auf ein Bildbeispiel beschränkt (wohl weil Bild-Ausführlichkeit den Verlagsrechten ins Gehege käme).

Mitte der Fünfzigerjahre glaubte die DDR, sich Comics dienstbar machen zu können

Da scheint der Blick in die Vergangenheit einfacher zu sein. Jedenfalls wenn es um die Ostalgie geht. Anfangs galten Comics in der DDR als Ausdruck der „amerikanischen Unkultur“, die auf den Index gehörte. Doch Mitte der Fünfzigerjahre glaubte man, die Bildergeschichten der „Erziehung einer sozialistischen Persönlichkeit“ dienstbar machen zu können. So erschienen sie zuerst in Jugend-Zeitschriften wie Mosaik oder Frösi, dann auch in Illustrierten und einigen Tageszeitungen. Das versucht die Internet-Seite www.ddr-comics.de zu dokumentieren. Sie stellt sich als „ein privates, nicht-kommerzielles Internet-Projekt“ vor, wenngleich sie mit dem Holzhof Verlag in Dresden verbunden ist, der unter anderem die Serie Klassiker der DDR-Bildgeschichte herausgibt und dafür auch auf der Seite wirbt. Man erfährt, was wann und wo gedruckt wurde, wer die Autoren und Zeichner waren, wovon die Geschichten handeln – wobei die Stichworte „Propaganda“ und „Polit-Comics“ mit Milde behandelt werden. Vor allem aber kann man knapp 5000 Seiten mit Comics aufrufen, viele vollständig, manche als Teilabdruck. Andere werden nur beschrieben (besonders wenn sie, wie die „Digedags“, als Nachdruck wieder zu haben sind).

Die „Digedags“ oder „Atze“ finden sich auch im Comic Guide (www.comicguide.de), einer bibliografischen Datenbank. Sie erfasst beinahe – die vielen Übersetzungen eingeschlossen – alle seit 1945 in Deutschland erschienenen Comics. 110.000 Ausgaben sollen das sein. Das Material kann nach Titel, Verlag, Autor / Zeichnern und Genre befragt werden. Außerdem wird der Neupreis neben den geschätzten Sammlerpreisen (gestaffelt nach Erhaltungszustand) genannt.

Um die bibliografischen Daten, ergänzt mit Abstract und / oder Inhaltsverzeichnis geht es auch bei der Bonner Online-Bibliografie zur Comicforschung (www.comicforschung.uni-bonn.de). Sie verzeichnet 7000 wissenschaftliche Artikel aus Büchern und Zeitschriften, 2000 Bücher, mehr als 200 Dissertationen sowie 900 Beiträge aus dem Web. Abfragen lassen sie sich nach der Publikationsform, der Sprache – was zum Beispiel Finnisch oder Japanisch einschließt – sowie nach Titel, Verfasser, Forum, Verlag etc. Derselben Intention, die Forschung über Comics zu fördern und zu erleichtern, entspringt ComicsResearch.org (www.comicsresearch.org), eine annotierte Bibliografie, die auch populäre Magazine berücksichtigt. Wer jedoch keine wissenschaftliche Bibliothek in der Nähe hat und deshalb am Bildschirm lesen will, was Wissenschaftler zu und über Comics erforscht haben, dem bietet sich „ImageTexT“ (www.english.ufl.edu/imagetext) an. Von dem interdisziplinären Online-Journal der University of Florida wurden alle seit 2004 erschienenen Ausgaben digitalisiert. Und so kann man entdecken, daß Lu Xun und Mao Dun bereits 1932 über Comics geschrieben haben, oder man erfährt unter dem Titel „Teaching! Pow! Comics! Bam!“ etwas über den pädagogischen Nutzen des Metiers.

Service

Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN Nr 14/2016

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