Kunstmessen

Das Wiener Messekarussell

In Wien starten regelmäßig erfolgversprechende Messen – und verschwinden dann wieder. Geblieben ist bislang die Viennacontemporary. Was sind die Gründe?

Von Sabine B. Vogel
24.08.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 217

Wien braucht eine starke Messe. Darin sind sich alle österreichischen Galerien einig. Aber welche Messe von welchem Betreiber an welchem Standort? Darüber herrscht große Uneinigkeit. Das führt seit einiger Zeit zu einem Wiener Messekarussell mit vielen Querelen und Veränderungen. Die Spark Art Fair im Frühjahr wurde abgesagt, die Viennacontemporary im Kursalon findet nun statt.

Dabei schien 2005 endlich Ruhe eingekehrt. Einige Galerien schlossen sich damals zusammen, gründeten die Viennafair und konnten mit der großen Messegesellschaft Reed einen professionellen Betreiber finden. An der ersten Ausgabe nahmen 92 Galerien aus 19 Ländern im Messezentrum am Prater teil. Zur Ausgabe 2011 waren es sogar 127 Galerien, dazu der spannende Schwerpunkt Istanbul und freie Projekte aus Zentralasien. Dann stieg Reed aus der Messe aus, und mit dem neuen Lizenzpartner Sergey Skaterschikov begann der Trubel. Denn der russische Investor wollte eine Blue-Chip-Messe, die künstlerischen Leiter Hedwig Saxenhuber und Georg Schöllhammer setzten als Kenner der osteuropäischen Kunstszene dagegen auf „neue Geografien der Kunstwelt“.

Olga Balema Everybody and their mother
Olga Balemas „Everybody and their mother“, 2016, auf der diesjährigen Viennacontemporary. © Olga Balemas / Viennacontemporary

70 Prozent hielt Skaterschikov an der Messe, mit an Bord war sein Geschäftspartner, der russische Immobilienentwickler Dmitry Aksenov. Skaterschikov träumte von der Messe als „big ticket“, irritierte seinen Partner mit eigenwilligen Aktionen allerdings so nachhaltig, dass Aksenov dessen Anteile übernahm – und bald darauf die Leitung, den Namen, den Ort und den Termin änderte.

Als Viennacontemporary gastierte die Messe 2015 erstmals in den Marxhallen. Unter der Geschäftsleitung von Renger van Den Heuvel kamen rund 30.000 Besucher, die Verkäufe waren passabel. Dann begann die Pandemie und alles wurde wieder kompliziert. 2020 sollte die Messe trotz Reisebeschränkungen stattfinden. Aber bei Kosten von 290 Euro pro Quadratmeter plus 1000 Euro Anmeldegebühr zögerten die Galerien. 22 unterzeichneten einen Appell und verlangten eine Halbierung der Kosten. Die Messe ging darauf nur teilweise ein, konnte zwar 60 Teilnehmer versammeln – statt 110 im Vorjahr. Aber 16 namhafte Wiener Galerien boykottierten die Ausgabe.

Jakob Lena Knebl brutal rosé
Die Wiener Galerie Georg Kargl Fine Arts zeigt auf der Viennacontemporary Arbeiten der österreichischen Künstlerin Jakob Lena Knebl, darunter „brutal rosé“ (2022). © Courtesy Jakob Lena Knebl and Georg Kargl Fine Arts, Wien

Es folgte das Schicksalsjahr 2021 im Wiener Messetrubel. Dabei begann es zunächst vielversprechend. Im Februar fand eine neue Boutique-Messe im Intercontinental Hotel statt, dessen Betrieb wegen der Pandemie auf Sparflamme lief. 13 meist junge Galerien nutzten den „Ballraum“ für Solopräsentationen, die Messe war ein Erfolg. Aber manche Wiener Galerie fühlte sich ausgeschlossen, es begann ein Intrigenspiel gegen das mutige, junge Projekt. Es blieb bei einer Ausgabe.

Zeitgleich liefen die Vorbereitungen für eine weitere neue Messe: Spark Art Fair Vienna. Gegründet vom VC-Ex-Geschäftsführer Renger van den Heuvel und seinem Geschäftspartner Herwig Ursin, Pächter der Marxhalle, und Ex-Vermieter der VC, fand die erste Ausgabe im Mai statt. Der Vertrag mit der VC dagegen wurde beendet. Als inadäquates Ausweichquartier der erst boykottierten, nun zudem ausquartierten und auf 60 Galerien geschrumpften Messe diente ihr die Baustelle der Alten Post, die gerade in Luxusapartments verwandelt wurde, und 2022 für nur noch 25 Galerien der Kursalon im Stadtpark. Beide Austragungsorte stehen zwar im Herzen Wiens, bieten aber mehr als unzureichende Räumlichkeiten. Im Kursalon war die staatlich geförderte Sektion Zone 1 für junge Kunst etwa in einen muffigen Keller ausgelagert.

Die Spark Art Fair dagegen wurde ein voller Erfolg. Das in enger Kooperation mit Wiener Galerien entwickelte Konzept basierte auf Solo-Präsentationen junger Kunst in einheitlich großen Ständen zu niedrigen Kosten von je 3500 Euro. Kein VIP-Programm, keine Vorträge, dafür externe Kuratoren für die Sektionen. Die Termine seien bis 2027 gebucht, erklärte van den Heuvel zur Premiere. Aber schon nach der zweiten Ausgabe im Sommer 2022 verließ er die Messe aufgrund von Interessenskonflikten mit dem Partner und Hallenpächter. Worauf Ursin kurzerhand die Messe übernahm, ohne Erfahrung oder Kontakte in der Kunstbranche. Als Kuratoren- und Advisery-Board-Team wurden voreilig Sabine Breitwieser und Christoph Doswald genannt. Doswald ist mittlerweile Berater, Breitwieser sagte ab. Die Leitung der Spark Art Fair unterliegt Walter Seidl und Jan Gustav Fiedler. Seidl arbeitet seit Jahren für die Sammlung der Erste Bank, die kurioserweise Sponsor der Konkurrenzmesse Viennacontemporary ist.

Die neue-alte Spark wurde dieses Jahr schließlich kurzfristig abgesagt, kaum eine der renommierten Wiener Galerien wollte teilnehmen. Manchen waren die Standgebühren von 5600 Euro zu hoch, andere vertrauten dem neuen Besitzer inklusive Team nicht. Nichtsdestotrotz soll im nächsten Jahr die Fortsetzung kommen.

Orlans Self-Hybridation Masques de l'Opéra de Pékin
Ernst Hilger zeigt in diesem Jahr Orlans „Self-Hybridation Masques de l'Opéra de Pékin“, 2014. © Courtesy of Ernst Hilger, Wien

Ob 2024 der Wiener Messetrubel zur Ruhe kommt, ist allerdings fraglich. Werden die Wiener Platzhirsche an der Spark Art Fair teilnehmen? Ist in Wien überhaupt genügend Platz für zwei internationale Messen? Denn gerade feiert die Viennacontemporary ihr Comeback. Zwar musste Dmitry Aksenov aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine seine Anteile verkaufen, um der Messe nicht zu schaden. Aber die Wiener Galerien scheinen der altbewährten Messe mehr zu vertrauen als der neuen Spark. Die nächste Ausgabe der VC findet mit 62 Galerien aus 19 Ländern wieder im Kursalon statt, einem Restaurant mit Ballsaal und großer Terrasse. Es werden wohl wieder kleine Stände werden, aber offenbar hegen die Wiener Galerien die Hoffnung, dass eine gestärkte VC in Zukunft wieder einen angemessenen Austragungsort findet. Und Renger van Den Heuvel? Der hat gerade eine neue Messe gegründet: die Stage Bregenz, die im Februar 2024 Kunst und Collectible Design im Festspielhaus am Bodensee verbinden wird. „Wir glauben an die zukunftsweisende Kraft der Kooperation“, nennt er sein Motto. Eine der schwierigsten Aufgaben im Messebusiness.

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