Mit der Tokyo Gendai gibt es erstmals seit über 30 Jahren wieder eine internationale Kunstmesse in der japanischen Hauptstadtregion
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07.07.2023
Nur ein Prozent des globalen Kunsthandels wird in Japan getätigt. Tokyo Gendai, ein neues Messeformat der Organisatoren The Art Assembly, die auch für asiatische Messen wie Art SG in Singapur, Sydney Contemporary oder Taipei Dangdai verantwortlich sind, will bei der Aufholarbeit helfen. 73 Galerien, vor allem aus Japan und dem asiatisch-pazifischen Raum, unterstützen die Erstausgabe dieser Kunstmesse, deren Titel übersetzt „Tokio zeitgenössisch“ heißen könnte, und sind mit ihrer Kunst und den Kunstschaffenden nach Yokohama gereist. Dass die Messe vom 7. bis 9. Juli 2023 trotz des Namens in der Nachbarpräfektur stattfindet, hat einen zwingenden Grund: die Hotels und Restaurants sind besser als die in der Nähe der metropolen Messehallen.
In der Halle begrüßt die Installation „The Circuit“ von Ryuichi Ohira das Publikum und setzt ein klares Zeichen gegen den Ernst der Kunstwelt: Die ausgreifende Carrera-Bahn zwischen rauchenden Hummern und Riesenkirschen wird von Kindern jeden Alters zur Erholung des kunstgefüllten Hirns dankend angenommen. Die Galerie Nanzuka aus Tokyo hat neben diesem Spielplatz einen umfangreichen Einblick in ihr Programm mitgebracht, darunter Künstlerinnen wie die neuseeländische Autodidaktin Susan Te Kahurangi King und ihre Bleistiftzeichnungen auf gefundenem Papier, der surrealistische rosa Akt mit Marienkäfern „Soaring High“ von der Koreanerin Jang Koal, oder die Porträts in Grautönen des Senegalesen Bou Bou, die während seiner Performances auf der Messe entstehen.
Kaikai Kiki, die Galerie von Takashi Murakami, bringt eine Show seiner Protegés, alles im Sinne der japanischen Kunstbewegung Superflat, alles super bunt. TENGAone spielt mit seiner Street-Art-Erfahrung, und lässt die Betrachterin fast verpassen, dass bei „Hyper/Beginning“ (25.000 USD) seine Pokémon-ähnlichen Charaktere sich nicht auf Karton tummeln, sondern auf täuschend-gut bearbeitetem Holz. Die Preise sind direkt in US-Dollar angegeben, denn die Galeristen wissen, dass diese Kunst vor allem in Übersee Abnehmer findet.
Superflat beeinflusst auch die Werke von Atsushi Kaga bei der Maho Kubota Gallery, dessen Bilder und Skulpturen mit den typischen Hasen und Bären bereits eine Stunde nach Eröffnung verkauft sind. Daneben lassen die organisch-dynamischen Skulpturen von Keita Miyazaki papierne Hoffnung auf Autoschrott wachsen. Bunt ist es auch bei der Rin Art Association, die die raumfüllende Installation „untitled (hula hoop)“ von Kengo Kito präsentiert. Am Messestand sind nur 200 Reifen verbaut, das volle Werk mit 1000 Reifen ist für 15 Millionen Yen zu haben.
Auch die großen Namen der japanischen Kunst fehlen nicht: Mehrere Galerien zeigen Werke von Yayoi Kusama, bei Taro Nasu aus Tokio aber vor allem als Pointe eines Einhornbildes von Jonathan Monk, das stolz proklamiert, „this picture should ideally be hung to the right of a Yayoi Kusama“. Mehr Ehrfurcht wird den Wasserfällen von Hiroshi Senju bei der Sundaram Tagore Gallery aus London entgegengebracht, wo sich vor den meditativen Großformaten für 400.000 bis 650.000 Dollar andächtig Fantrauben sammeln.
Galerien wie Johyun aus Busan oder SPURS aus Beijing bringen zeitgenössische Schwergewichte aus ihrer Heimat nach Tokio. Westliche Galerien wie Almine Rech oder Sadie Coles HQ folgen bei ihrer Präsentation internationaler Werke dem Trend zur Farbenfreude, während bei der Yavuz Gallery aus Singapur etablierte Künstlerinnen in dunklen Farben und musealer Atmosphäre schwelgen. Tang Contemporary Art zeigt mit einem Querschnitt aus Ai Weiweis Werk den bekanntesten Künstler der Messe.
Die Freiheit einer Erstauflage und eine neugierige Offenheit bei Galerien und Besuchenden färbt die Stimmung positiv. Mit dem breiten Querschnitt der globalen Kunstwelt, der Zusammenarbeit mit Kunststiftungen und einer Ausstellungsfläche für japanische Künstlerinnen stützen die Organisatoren ihren Anspruch, einen Beitrag zur Kunstbildung des japanischen Publikums leisten zu wollen. Diese Bewusstseinsbildung scheint eine lohnende Investition, denn der Wegfall der Einfuhrsteuer für Kunstwerke auf Messen macht seit 2020 auch endlich Japan zu einem interessanten Ziel für internationale Händler. Es ist Tokyo Gendai zu wünschen, dass sich dies alles auch in guten Verkäufen niederschlagen wird, damit aus der Erstauflage das langfristige Engagement werden kann, das Organisatoren und Galerien versprechen. Denn schließlich sind lange Beziehungen die unabdingbare Basis japanischer Geschäfte.