Gütesiegel für afrikanische Kunst

„Kolonial bedeutet nicht immer gestohlen“

Die Galerie Didier Claes hat ein Gütesiegel für Tribal Art eingeführt. Im Interview spricht der Präsident der Bruneaf über eine ethische Herkunftsprüfung afrikanischer Kunst und die Restitution von Museumsobjekten

Von Ingo Barlovic
28.03.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 4

Didier Claes, Sohn eines Belgiers und einer Kongolesin, ist eine der schillerndsten Figuren am Markt für Tribal Art – mit seiner Galerie im Brüsseler Ixelles-Viertel macht der Präsident der Bruneaf und Vizepräsident der Brafa seit Langem durch spektakuläre Cross-over-Inszenierungen von sich reden. Aus aktuellem Anlass hat Ingo Barlovic für uns mit ihm gesprochen.

Herr Claes, Objekte traditioneller afrikanischer Kunst, die ihre Galerie verkauft, besitzen neuerdings das Siegel „Origin Ethically Approved“: Herkunft ethisch geprüft. Wer vergibt das Siegel? Eine unabhängige Kommission?

Ich selbst habe dieses Siegel geschaffen, um aufzuzeigen, wie ich arbeite – und zwar seit 25 Jahren, als ich mit dem Handel von traditioneller afrikanischer Kunst begonnen habe.

Was bedeutet „ethischer Erwerb“? Woran machen sie fest, dass ein Objekt ethisch erworben wurde?

Die Erwähnung des Worts „ethically“ bedeutet, dass ich die Konventionen der Unidroit (Internationale Organisation mit dem Ziel der Förderung der internationalen Vereinheitlichung des Zivilrechts) und der UNESCO in den Ländern, in denen ich meine Tätigkeit ausübe, sorgfältig respektiere.

Viele alte Objekte wurden ja in der Kolonialzeit erworben. Kann solch ein Erwerb überhaupt „ethisch“ sein?

Absolut! Kolonial bedeutet ja nicht immer „gestohlen“. Es gab Handel zwischen Besitzern und Interessenten, aber auch zwischen unterschiedlichen Volksgruppen.

Inwieweit beteiligen Sie Herkunftsgesellschaften?

Es ist völlig unmöglich, die Herkunftsgesellschaften zu beteiligen, weil sie oft schon seit Langem verschwunden sind.

Provenienzforschung ist ein schwieriges Feld, Museen können ein Lied davon singen.

Wir tun unser Bestes, um so viele Provenienzen wie möglich zu recherchieren. Viele Objekte wurden ja auch veröffentlicht und häufig ausgestellt.

Bei der Restitution von Museumsobjekten geht es ja nicht nur um Raubkunst, sondern auch um Werke, die für das kulturelle Erbe eines Landes relevant sind. Inwieweit wird dies bei Ihrem Siegel berücksichtigt?

Wenn ich darf, möchte die Frage mit einer Gegenfrage beantworten: Die „Mona Lisa“ ist extrem wichtig für das kulturelle Erbe Italiens. Sind Sie der Meinung, dass sie zurück nach Italien soll? Obwohl sie seinerzeit von Frankreich gekauft wurde?

Wie viel Prozent Ihrer Objekte besitzen dieses Siegel?

Alle Objekte, die die Galerie Didier Claes verkauft, besitzen dieses Siegel. Sollte ein Stück diesen wichtigen Kriterien nicht entsprechen, kaufe ich es nicht.

Ist dieses Siegel exklusiv für Ihre Galerie, oder können sich auch andere Galerien oder Auktionshäuser beteiligen? Kann es eine neue Währung auf dem Tribal-Art-Markt werden?

Im Moment bin ich der Einzige, der dieses Siegel verwendet, das Label ist also exklusiv für die Galerie Claes. Ich wurde aber bereits von einigen Unternehmen kontaktiert und kann mit gut vorstellen, es zu teilen.

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