Kunsthandel

Messe und Mode

Auf der Art Basel gibt es nicht nur Kunst zu sehen, sondern auch ihre Liebhaber und Sammler. April von Stauffenberg zur Kleiderfrage

Von April von Stauffenberg
12.06.2017

Jeder neue Tag ist eine Suche nach dem Sinn des Daseins. Es beginnt mit dem supergesunden „B12-Omega“-Müsli, das du in dich hineinschaufelst, und hört mit der kohlschwarzen Detox-Zahnpaste längst noch nicht auf. Denn auch die Mode, die du trägst, hat eine Bedeutung. Und alles zusammen ergibt ein wohlkalkuliertes Gesamtbild als Summe deiner Entscheidungen.

Und dann kommt der Tag, an dem du mit dem Wissen aufwachst, dass nun erneut die große Bühne namens Art Basel öffnet. Überfordert? Ja, denn schon jetzt ist klar: Hier wirst du den ganzen Tag mit mehr oder minder 4000 Künstlern konfrontiert, die dich ausnahmslos mit ihrer eigenen Meinung über das Leben bombardieren. Doch was bei der Vernissage am Interessantesten ist, lässt sich ohnehin nicht an den Wänden der Messe finden oder den Skulpturen in den Kojen ablesen. Die größte Bedeutung während der Eröffnung kommt jenen beweglichen Displays zu, die über die Art Basel spazieren oder redend zusammenstehen: den VIPs und auch den nicht ganz so Wichtigen, die die Art Basel zu jenem Ereignis machen, das Basel nun einmal ist. Und man selbst schaut die meiste Zeit mit offenem Mund entgeistert auf diese Parade der individuellen Stile.

Was soll man auch tragen, wenn die Konkurrenz aus 95.000 anderen Kunst-Aficionados besteht? Geht asymmetrisch? Oder High-low? Und wie viele Rüschen sind zu viel? Das hier soll allerdings auch kein Ratgeber sein – Balenciaga anziehen und zack, fertig –, sondern eine kleine Reflexion darüber, mit welchen Gedanken man es während der Messe zu tun bekommt. Der einzige Ratschlag, den ich geben kann, lautet: Kleide dich, als wärst du längst berühmt. Mit dem Gros des Publikums mithalten zu wollen ist ebenso ein Fehler wie der Wunsch, der Kunst Konkurrenz zu machen.

Denn auch, wenn du in monochromem Weiß durch die Koje der Peter Blum Gallery schlenderst, wo Arbeiten von Robert Ryman zu sehen sind, wirst du es kaum mit der Klugheit dieses Künstlers aufnehmen können. Selbst wenn dein T-Shirt von einem bestimmten japanisch-französischen Designer genau an den richtigen Stellen plissiert wurde, ist Mode auf Messen ein kompliziertes Spiel. Denn eine Serie wie „Achrome“ (1958) von Piero Manzoni, in der Koje der Galerie Mazzoleni zu sehen, wird den Vergleich immer gewinnen.

Wie aber verhält es sich mit knappen Kleidchen? Oder mit Halsketten? Sie haben in der sogenannten Fashun-World längst ihren Anspruch als Zeichen für Macht und Geld verloren. Besser, man trägt ein ­weißes Exemplar aus Plastik. Sei stolz auf deine Subjektivität. Verweigere dich, wenn es darum geht, den Werken des Suprematismus oder der Farbfeldmalerei die Schau zu stehlen. Es funktioniert nicht. Dreh die Schraube lieber in eine andere Richtung und trage ein paar weiße Sportsocken mit einem supereleganten Outfit.

Wenn du glaubst, es wäre ein Kinderspiel, sich nach der Pop-Art zu kleiden, kannst du natürlich auf Klamotten zurückgreifen, die überall erhältlich sind: mit Roy Lichtensteins unbedarften Comics, wie sie die Galerie Gagosian im Programm hat. Auch der amerikanische Künstler Jonathan Horowitz hat sich mit Lichtenstein und seinen Spiegel-Bildern, die nichts reflektieren, beschäftigt. Der New Yorker Galerist ­Gavin Brown gibt Horowitz auf der Art Basel ein Forum für seine erfrischenden Kreationen.

Feminismus ist durch Donald Trumps abfällige Kommentare über Frauen wieder zu einem heißen Thema geworden. Doch wie kleidet man sich feministisch? Die Künstlerinnen Barbara Bloom and Joan Jonas, die von der Mailänder Galerie Raffaella Cortese vertreten werden, geben uns den Schlüssel an die Hand. In ihren Werken geht es um Spiegel und Verdoppelungen. Wie sich das transformieren lässt? Im Partnerlook. Ihn trägt man natürlich nicht mit dem Gemahl, sondern mit einem guten Freund. Und je unsinniger das Outfit, desto schneller wird man zum Insta­gram-Star: zum Beispiel mit einem Tahiti-08-T-Shirt, weißen Jeans und Stan-Smith-Turnschuhen. Oder zieh an, was du möchtest, und besprühe dein Outfit im Graffiti-Stil mit einem Wort wie „Erdnussbutter“. Und wenn dich jemand danach fragt, erkläre, das sei dein Kommentar zu Margot Bergman – jener großartigen, 1934 geborenen Künstlerin aus Chicago, die bei der Galerie Corbett vs. Dempsey ihren Auftritt hat. Bergman ist berühmt für ihre künstlerische Interpretation von Flohmarkt-Gemälden.

 

Die jüngsten Impulsgeber heißen in diesem Jahr Wang Shang und Guan Xiao. Bei Wang, den die Galerie Magician Space aus Peking ausstellt, geht es um Steine, aber nicht irgendwelche, sondern Gelehrtensteine, die in der chinesischen Kultur einen hohen Stellenwert genießen. Guan zeigt in der Galerie Antenna Space Installationen, die ihre eigene Unaussprechlichkeit thematisieren. Das alles ist ziemlich aufregend – weshalb das eigene Outfit ganz einfach sein sollte. Etwas Florales oder eine ramponierte, dekonstruierte Jeans plus Basecap. Und dazu jede Menge falsche Perlen. Doch wie gesagt: Was immer du trägst, der Kampfstern Galactica ist verloren, und so gut wie Mick Jagger sieht man eh nicht aus.

Die Mega-Sammler sind übrigens leicht in der Menge auszumachen. Sie tragen stets die Verkleidung für Celebrities und sehen aus wie amerikanische Eltern, die ihre Tochter das erste Mal in Europa besuchen: in Trainingshosen und mit ­Plastik-Schirmmützen. Das ist gut, aber auch kompliziert. Denn Trainingsanzüge sind jetzt der letzte Schrei und können schnell ab 1000 Dollar ­aufwärts kosten. Es wird also Menschen geben, die sich als Mega-Sammler verkleiden – in Wirklichkeit sind es nur Fashion-Snobs.

Service

Abbildung ganz oben

Filmstill aus „Faz que vai“ von Bárbara Wagner und Benjamin de Burca (Abb.: The arists, Gallery Fortes D’Aloia & Gabriel, Sao Paulo)

Messe

Art Basel
Basel
15. bis 18. Juni

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 130/2017

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