Kunsthandel

München leuchtete

Der jüngste Katalog der Frankfurter Kunsthandlung H.W. Fichter, spezialisiert auf Zeichnungen und Aquarelle mit Schwerpunkt auf der deutschen Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts, ist wieder ein Schatzkästlein – diesmal gefüllt mit Werken der Münchner Schule

Von Gloria Ehret
01.08.2016

Das Zitat aus Thomas Manns berühmter Novelle „Gladius Dei“ von 1902 wird ganz zurecht für den Titel in Anspruch genommen. Denn die 121 Katalognummern mit Blättern von 94 Künstlern sind zwischen 1870 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 entstanden. In ihnen spiegeln sich diese fruchtbringenden Jahre der Kunst in München. Der Kunsthistoriker Ulrich Pfarr schildert sie kenntnisreich und anschaulich in seinem einführenden Essay.

Es war nicht nur die Epoche der Malerfürsten Lenbach, Kaulbach und Stuck, sondern auch jene, in der die akademische Kunstauffassung in Frage gestellt wurde und durch unterschiedliche Erneuerungsbestrebungen zu neuen Ufern geführt hat. 1873 wurde die Künstlergesellschaft „Allotria“ von Franz Lenbach gegründet. 1892 spaltete sich in der königlichen Residenzstadt die erste Secession weltweit ab; 1899 kam die „Scholle“ als Neugründung, 1900 der Münchner Künstlerhausverein und 1901 die „Phalanx“. 1909 folgten die Neue Künstlervereinigung, 1911 der „Blaue Reiter“ und 1913 die „Neue Sezession“.

Die angebotenen Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen waren schon einmal sammelwürdig: Im ersten Katalogteil sind jene aus dem Nachlass der Sammlung der Familie Denzel enthalten, der zweite Abschnitt präsentiert 47 Werke von Mitgliedern aus der Künstlervereinigung „Allotria“. Sie stammen aus der der „Allotria“-Mappe die 1914 anlässlich des Wegzugs des Bildhauers Jakob Bradl nach Oberammergau von dessen Schülern zusammengestellt wurde. Ein Großteil datiert ins Jahr der Übergabe.

 

Die Landschaftskunst der Paysage intime, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Bahn brach, schlug sich in in Fluss-, Moor- und Seelandschaften nieder. So etwa in der feinen Bleistiftzeichnung einer Flussaue „bei Pähl“, die Carl Ebert (1821–1885) signiert und bezeichnet hat. Der aus Bamberg stammende und 1925 in München verstorbene Franz Horadam hat sein stimmungsvolles Aquarell „Sumpflandschaft mit kleinem Boot“ im dunstigen Morgenlicht „F.H. monogrammiert.

Dass die Münchner Künstler sich thematisch nicht auf die enge Heimat beschränkten, zeigt das zarte Aquarell mit „Steilklippen an der Meeresküste“ des 1855 in Augsburg gebürtigen und 1935 in München gestorbenen Leopold Schönchen. Gern bündelten die Maler ihr Naturempfinden in engen Landschafsausschnitten; so Hans von Bartels in dem kraftvollen Aquarell „Kahler Baum an einer Lichtung“. Bernhard Buttersack konzentriert sich in seiner signierten, 1898 datierten und „Haimhausen“ betitelten Kohlezeichnung ganz auf die Baumstudie, ohne auf die weitere Formation des Dachauer Mooses einzugehen. Gilbert von Canal bettet 1886 die „Baumgruppe in Hügellandschaft“ hingegen in seinem Aquarell in die stimmungsvolle Gesamtansicht ein.

 

Im Katalog spiegelt sich die ganze Bandbreite damals ins Bild gesetzter Themen. Da zeigt August von Bayer in seiner kräftigen kontur-betonten Federzeichnung in schwarzer Tusche einen Mönch in Rückenansicht, der auf eine Zisterzienserabtei blickt. Genrehafte und ländliche Szenen werfen einen Blick auf die Lebensumstände, etwa das impressionistische Aquarell „Drei Personen am Esstisch“ von Carl Wilhelm Anton Seiler (mit Nachlassstempel) oder die „Wäscherinnen bei Desenzano am Gardasee“, die Fritz Hass als Kohle- und Farbkreidezeichnung am 7. 10. 1913 festgehalten hat. Im selben Jahr gab Carl Oskar Arends ein „Italienisches Landhaus“ in kräftigen Farbkreiden wider. Porträts und Karikaturen sind ebenso dabei wie historisierende und illustrierende Darstellungen. 

Das Künstleralphabet reicht von Eugen Adam über so illustre Münchner Maler wie Julius Diez, Anton Doll, Fritz Erler, Angelo Jank, Heinrich Kley oder Carl Ernst Morgenstern bis Charles Vetter, Victor Weishaupt und Ludwig von Zumbusch. Die Preisliste liegt bei. In Zeiten, in denen am liebsten Höchstpreise genannt und Rekordpreise bejubelt werden, ist bei dieser Auswahl feiner, qualitätvoller Originalarbeiten auf Papier zu betonen, dass die Preise allesamt moderat sind. 

Die Spanne reicht von bescheidenen 120 Euro für hinreißende kleine Federzeichnungen wie „Der Trachtenträger“ von 1909 bzw. „Der Riese“, die August Heer 1909 und 1910 kraftvoll-karikierend aufs Papier gezaubert hat, bis zur teuersten Nummer 44: Es ist das fein ausgeführte Aquarell „Junge Frau mit Federhut“, die als Halbfigur den Betrachter mit einem angedeuteten Lächeln ernst in die Augen blickt. Das Blatt ist rückseitig von fremder Hand „Bruno Piglheim 1848–1894“ bezeichnet; das bildwürdige Format misst 34,9 x 25,7 cm. Jedem Münchner schlägt das Herz höher beim Anblick von Carl Scharolds Aquarells „Die Ruhmeshalle mit der Bavaria“ aus deren Entstehungsjahr 1850 für erschwingliche 1.600 Euro!

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