Kunsthandel

Das Wilde war eckig

Der Wiener „Übermaler“ Arnulf Rainer präsentiert sein überraschend asketisches Frühwerk in der Galerie Thaddaeus Ropac

Von Christiane Meixner
12.08.2016

Die Galerie Thaddaeus Ropac führt Robert Rauschenberg und James Rosenquist im Programm. Zwei US-amerikanische Maler, deren Karriere in den Fünfziger- und Sechzigerjahren rasant an Tempo gewann. Mit den monochromen Gemälden und Streifenbildern aus derselben Ära, die ab Ende Juli in der Villa Kast zu sehen sind, hat die Galerie nun offenbar ein neues Talent aus New York aufgetan: Farbfeldmalerei und Hard Edge in bester amerikanischer Tradition. So denkt man und liest dann verdutzt, dass die großartigen Arbeiten vom Österreicher Arnulf Rainer stammen.

Der obsessive Übermaler, intensive Selbstbefrager und Tabubrecher – ein Freund des überlegten Arrangements von Farben? Einer, der die Leinwand geduldig mit Rottönen füllt und wie Mark Rothko zum Vibrieren bringt? Es ist ein altes und zugleich frisches Kapitel im Werk des 86-Jährigen, das die Galerie aufschlägt. Rainer hat sich ab 1951 ausprobiert, in konzentrierten Sessions blaue, gelbe und schwarze Pigmente in Öl auf Papier gebracht und die farbigen Segmente auf dem Tisch oder Boden so lange hin und her geschoben, bis ihm die Komposition schlüssig erschien. Seine Untersuchungen zum Verhältnis von Farben, Flächen und ihrer räumlichen Anordnung dauerten ein paar Jahre, dann war der Künstler damit fertig.

Arnulf Rainer – der obsessive Übermaler, intensive Selbstbefrager und Tabubrecher

Diese „Proportion“ genannten Bilder werden bis heute selten gezeigt. Zur Eröffnung des Arnulf Rainer Museums im österreichischen Baden hingen 2009 Beispiele an der Wand, das Museum der Moderne in Salzburg erwarb 1987 eine „Proportionscollage“ und die Wiener Albertina ehrte den Künstler 2014 mit einer Retrospektive, zu der auch die Anfänge seines Schaffens gehörten. Doch es dauert, bis diese Phase als Teil des konsistenten Werks wahrgenommen wird. Schließlich glauben alle, Rainer zu kennen: Zwischen den radikalen Übermalungen und der oft damit verbundenen Auslöschung fremder Bilder finden seine konzeptuellen Experimente ebenso wenig Platz wie die tiefroten Monochrome, die von innen heraus leuchten.

Arne Ehmann, seit Jahren Direktor von Ropac Salzburg, hat die Ausstellung kuratiert. Seine Besuche und Recherchen in Rainers Wiener Atelier förderten weitere Werke ans Licht – neben den Streifen auch mehrere große rote Bilder von verblüffender Frische. „Übermalung“ heißen sie alle. Dabei weiß Ehmann inzwischen, dass sich unter keinem der Bilder „existierende Werke anderer Künstler“ verbergen. Sondern „viele dünne Farbschichten“. Damals übermalte Rainer bloß die weiße Leinwand. Bis ihm das nicht mehr reichte.

Service

Abbildung

Kokllektiv Lischka / Arnulf Rainer Museum

Ausstellung

Arnulf Rainer. Early Works 1950–1960, Galerie Thaddaeus Ropac, 29. Juli bis 27. August

Dieser Artikel erschien in

WELTKUNST Nr. 118 Sonderbeilage Salzburg

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