Kunsthandel

Bambergs Geheimnis

Die Stadt auf sieben Hügeln bietet Kunst aus vielen Jahrhunderten – und so manch ein Schatz ist auch käuflich zu erwerben. Wie gelingt es den Bambergern, den Handel mit Antiquitäten so lebendig zu halten? Vom 22. Juli bis zum 19. August finden wieder die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen statt.

Von Gloria Ehret
20.07.2016

Wer nach Bamberg kommt, taucht in verschiedene Kunstwelten ein: Mittelalter und Barock, die bürgerliche und die bischöfliche Kultur, Kunstdenkmäler und Antiquitätengeschäfte. Verbindendes Element zwischen den Stilen und Herzstück der Stadt mit ihren 80.000 Einwohnern ist das Alte Brückenrathaus mit seiner bunten Fassadenmalerei – Johann Michael Küchel hat es im 18. Jahrhundert barockisiert. Pittoresk erhebt es sich über einer Insel in der Regnitz, dem stadtbeherrschenden Fluss.

Die 1000-jährige Stadtgeschichte beginnt nordwestlich davon auf dem Domberg, wo der später heiliggesprochene Kaiser Heinrich II. mit einem ersten Dombau begonnen und 1007 das Bistum Bamberg gestiftet hat. Der heutige Dom, dessen Sandsteinmauern weithin den Ton angeben, stammt aus dem 13. Jahrhundert. An der Wende der Romanik zur Gotik, zwischen 1225 und der Domweihe 1237, wurden die Skulpturen der Portale mit den figurenreichen Tympana und die Chorschranken mit ihren ausdrucksstarken Statuen geschaffen. Sie können sich mit der französischen Kathedralplastik messen – und der zeitlos-klassische Bamberger Reiter gehört zu den berühmtesten mittelalterlichen Skulpturen überhaupt.

Ein weiterer Höhepunkt ist der Georgenchor mit Tilman Riemenschneiders monumentalem Grabmal der Stifter Heinrich und Kunigunde von 1513. Als barocken Gegenanspruch zum mittelalterlichen Kaiserdom ließ Lothar Franz von Schönborn ab 1698 den riesigen Neubau der Fürstbischöflichen Residenz von Johann Dientzenhofer errichten. Sie beherbergt die Staatsgalerie mit Gemälden bedeutender Künstler von der Spätgotik bis zum Barock. Im Hof der mehrflügeligen Residenz lädt ein verwunschener Rosengarten mit atemberaubendem Panoramablick zum Verweilen ein.

Das quirlige Leben Bambergs spielt sich jedoch rund um die Regnitz in der barocken Altstadt mit ihren Palais und Bürgerhäusern ab. Und da dominieren, man glaubt es kaum, die Antiquitätengeschäfte. Keine zehn Fußminuten entfernt vom Domberg und dem berühmten Reiter beherbergt die Kunsthandlung Senger in ihrem gotischen Gewölbekeller eine veritable Heerschar erstrangiger Plastiken vom Mittelalter bis ins 18. Jahr­hundert. Madonnen- und Heiligenfiguren, Kruzifixe, Altar- und Andachtsreliefs mit der Verkündigung, der Geburt Jesu oder der Heimsuchung.

Ihre hohe künstlerische Qualität, die oftmals subtile farbliche Fassung und ihr hervorragender Erhaltungszustand begeistern Kenner und Sammler. Kein Wunder, dass sie in dieser Vielfalt einen kunsthändlerischen Höhepunkt weit über die Landesgrenzen hinaus markieren. Dabei ist Senger nicht nur ein Skulpturenspezialist, sondern ein klassischer Allrounder. Die Geschäftsräume erstrecken sich über mehrere Stockwerke in zwei Anwesen und befinden sich – und das ist typisch für die ganze Branche in Bamberg – in denkmalgeschützten Häusern im Herzen der barocken Altstadt. Die gehört seit 1995 zum Unesco-Weltkulturerbe. Bamberg hatte das Glück, im Zweiten Weltkrieg nicht in Schutt und Asche gebombt zu werden, und blieb von einschneidenden Bausünden in der Folgezeit verschont.

Die Dichte an Kunst- und Antiquitätenläden in der Stadt ist singulär in Deutschland. Man kann es nicht leugnen: Mit Antiquitäten tut man sich in unserem Land derzeit besonders schwer. Das kultivierte Wohnen in historisch eingerichteten Salons und das Leben mit Kunst und Antiquitäten vergangener Epochen liegen nicht im Trend. Ob man durch die Münchner, Kölner oder Berliner City spaziert – überall die gleichen Ketten und Modeläden. Antiquitäten sind aus dem öffentlichen Blickfeld weitgehend verschwunden. Nicht so in Bamberg: Der Flaneur wird auf Schritt und Tritt eingeladen, sich die imposanten Dielenschränke, Speise-, Spiel- oder Beistelltische, die Lüster, Leuchter und Appliken, die Stand- oder Kaminuhren, die Bronzefiguren, das glänzende Tafel- oder Sammlersilber in seinen eigenen vier Wänden vorzustellen. Nicht zu reden von den Gemälden aller Epochen und Stilrichtungen. In den meisten Städten haben sich Kunsthändler auf die Etage zurückgezogen oder ganz aufgehört, weil kein Nachfolger in Sicht war. Die Überalterung im Kunsthandel gilt als flächendeckendes Problem – außer in Bamberg!

Walter Senger hat seinen Handel vor über vierzig Jahren gegründet. Längst gehört er zu den wichtigen Ausstellern auf der Tefaf in Maastricht, neuerdings auch auf der Londoner Masterpiece. Er war so klug, seinen Schwiegersohn Thomas Herzog nicht nur ins Boot, sondern in die Geschäftsleitung zu holen. Der setzt mit Werken der klassischen Moderne weitere Akzente. Selbstverständlich ist das über Jahrzehnte erworbene Know-how nach wie vor gefragt, aber den frischen Blick auf die alten Objekte vermittelt auch die jüngere Generation.

Christian Eduard Franke ist schon über zwanzig Jahre in Bamberg. Die Schaufensterfront seines imposanten Altstadthauses spiegelt weitere Möglichkeiten des Lebens mit alter Kunst. Über zwei Stockwerke sind die größeren und kleineren Räume stilgerecht ausgestattet und bieten Anregungen für jeden Kunst- und Antiquitätengeschmack. Matthias Wenzels Vater war vor rund sechzig Jahren der erste Antiquitätenhändler im Nachkriegs-Bamberg. Das große Ladengeschäft befindet sich seit 1977 im Barockpalais Freyhaus auf dem Brand. Der Sohn ist, wie eine Reihe der jüngeren Bamberger Kunsthändler, studierter Kunsthistoriker.

Das Programm bei Senger oder Franke bewegt sich im oberen Segment. Doch gibt es eine Anzahl von Läden, deren Preisrahmen auch Einsteiger anlockt. Die Glasgalerie Pusch spannt den Bogen vom Jugendstilglas bis zu Bleiverglasungen. Christina Pusch setzt eigene und fremde Entwürfe um und bietet Restaurierungen an.

Im Silber Kontor Heiss konkurriert das begehrte Georg-Jensen-Silber mit weiteren skandinavischen Erzeugnissen und Silberschmuck. Bei Burkard Hauptmann entdeckt man auch erschwingliche Möbel des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Renate Ströhleins breit gefächertes Angebot umfasst Möbel, Schmuck und Porzellan bis zu sakraler Kunst. Das Ehepaar Schmidt-Felderhoff hat ausgefallene Objekte von der Antike bis zum Klassizismus mit dem Schwerpunkt Möbel. Vor drei Jahren ist es in das im Jahr 1340 errichtete »Haus zum roten Hahn« gezogen, wo Markus Schmidt eine offene Restaurierungswerkstatt betreibt.

Frischen Wind bringen die zugezogenen Söhne namhafter Kunsthändler: Julian und Lennart Schmitz-Avila eröffneten 2012 eine Dependance des Barockmöbelspezialisten Dr. Thomas Schmitz-Avila, der seit über 35 Jahren im Rheinland tätig ist.

Und Gregor von Seckendorff, Sohn von Ch. E. Frankes Partner Christoph von Seckendorff, hat seit 2013 eine eigene Kunsthandlung, die sich auf Bilder und Objekte des 18. und 19. Jahrhunderts konzentriert. Wer den besonderen Reiz der Versteigerung favorisiert, hat im Kunstauktionshaus Schlosser im noblen Bibra-Palais reichlich Gelegenheit.

Vielleicht trägt das Flair der vielen Studenten der Universität dazu bei, dass die Bamberger neuen Ideen gegenüber offen sind? Wo andernorts Abgrenzung herrscht, waren sich die Kunsthändlerkollegen schnell einig, dass sie an einem Strang ziehen müssten. Als es vor über 20 Jahren in der Branche zu kriseln begann, traten sie mit der Gründung der „Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen“ die Flucht nach vorn an. Nun präsentieren sie schon zum 21. Mal parallel zu den Bayreuther Festspielen ihre Leistungsschau mit Kunst aus sieben Jahrhunderten, geprägt von der jeweiligen persönlichen Atmosphäre. Hinzu kommt ein umfangreiches Rahmenprogramm, zusammen mit den Museen der Stadt.

Auch die berühmten Sammler Irene und Peter Ludwig haben sich in Bamberg verliebt und ihre herrliche Kollektion Meissener Porzellane und Fayencen als Dauerleihgabe hierhergegeben. Die eleganten Geschirre und zauberhaften Figuren sind in einem eigenen Museum im Alten Brückenrathaus ausgestellt.

Nicht nur der zahlreichen Wirtshäuser und des berühmten Bieres wegen gilt Bamberg als heitere, gastliche Stadt. Besucher reisen von Nah und Fern zur festlichen Eröffnung der Antiquitätenwochen an. Seit einigen Jahren findet sie im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia statt, einem von 1716 bis 1722 errichteten architektonischen Kleinod Ignaz Tobias Böttingers – womit der Bogen zur zeitgenössischen Kunst geschlagen wird. Man trifft sich, lauscht den launigen Festreden des Bürgermeisters und der Landesvertretung. Als rhetorisches Bravourstück freut man sich auf die Eröffnungsrede der Concordia-Hausherrin Nora Gomringer, bevor man sich zum Rundgang in die Kunsthandlungen begibt. Glückliches Bamberg – die wahre Antiquitätenhauptstadt unseres Landes!

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WELTKUNST Bayern Spezial

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