Kunsthandel

Museumsatmosphäre in der Galerie Artvera's

Die Genfer Galerie hat die klassische Moderne im Blick und lässt sich auch vom berühmtesten Fälscher der letzten Jahrzehnte nicht täuschen.

Von Matthias Ehlert
30.03.2016

Mitten auf dem pittoresken Altstadthügel von Genf, unweit der Kathedrale St. Peter und der Universität, hat die Galerie Artvera’s seit 2007 ihr Quartier bezogen. Es ist eine sehr feine Adresse in einem Haus, das hier schon seit vielen Jahrhunderten steht. Solch noble Lage fordert meistens den Tribut, nur wenig Platz für die Kunst zu haben, doch hier ist diese Regel außer Kraft gesetzt: Betritt man die Galerie, wird man schier überwältigt von dem Raumangebot, das sich im Innern katakombenartig eröffnet. Mehr als 5000 Quadratmeter sind es, die sich auf sechs Ausstellungsräume verteilen. Die Wände sind in dezenten, warmen Farbtönen gehalten, edle Lederbänke laden zum Verweilen ein, teilweise sind die mittelalterlichen Mauern freigelegt. Es herrscht Museumsatmosphäre – und das ist durchaus gewollt.

Eigentümer der Galerie sind, das ist ein offenes Geheimnis, reiche russische Geschäftsleute. Sie ziehen es vor, im Hintergrund zu bleiben. So ist das Gesicht der Galerie die junge Direktorin Sofia Komarova, die aus Sankt Petersburg stammt. Schon ihre Mutter agierte zu Sowjetzeiten als Kunsthändlerin, ihre Tante war Kuratorin am berühmten Puschkin-Museum in Moskau. Sie selbst studierte zunächst Philosophie, dann Kunstgeschichte und französische Sprache und Kultur in Lausanne. In der Kunstszene wurde ihr Name 2010 erstmals im Zusammenhang mit dem Beltracchi-Skandal publik. Denn Sofia Komarova war es, die den Anstoß gab, der letztlich zur Entlarvung des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi führte. Das von ihren Auftraggebern auf einer Auktion erworbene Gemälde »Rotes Bild mit Pferden« von Heinrich Campendonk war im Werkverzeichnis zwar erwähnt, doch es existierte keine Abbildung. Komarova wollte sichergehen und beharrte, trotz heftigen Gegenwinds, auf einer chemischen Analyse des Bildes. Dabei wurde modernes Titanweiß nachgewiesen, das im angeblichen Entstehungsjahr des Gemäldes noch gar nicht auf dem Markt war. So kam der Stein ins Rollen und das System Beltracchi brach zusammen.

Wie in einem Detektivroman

Leicht belustigt erinnert sich Sofia Komarova an diese aufregende Zeit, in der sie sich »wie in einem Detektivroman« vorkam. Rührte ihr gesundes Misstrauen vielleicht daher, dass sich auf ihrem Spezialgebiet, der russischen Avantgarde, so viele Fälschungen tummeln? »Ja«, sagt sie, »auf diesem Feld ist noch viel Forschung vonnöten. Wenn man bedenkt, dass etwa für Malewitsch erst 2002 ein Werkverzeichnis fertiggestellt wurde. Oder dass bei vielen anderen Künstlern kaum gesicherte Erkenntnisse vorliegen.«

Weit lieber als das Aufdecken von Fälschungen ist ihr jedoch das Aufspüren von Künstlergenies, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Sie holt aus dem Regal zwei dicke Kataloge zu Serge Charchoune (1888– 1975) und Friedrich Karl Gotsch (1900–1984). Beiden hat sie in den vergangenen Jahren Einzelausstellungen gewidmet und sie somit wieder in das Blickfeld von Sammlern und Museen gerückt. In Zukunft möchte sich Sofia Komarova noch mehr um die Gegenwartskunst bemühen. Aktuell zeigt sie die Stillleben des Niederländers Henk Helmantel, dessen Arbeiten wie aus einem anderen Jahrhundert wirken und den sie einen »modernen Rembrandt« nennt. Ihm folgt Mitte April eine Ausstellung zum »Monte Verità«. Gezeigt werden Werke von Künstlern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die zum Kreis der dortigen Künstlerkolonie gehörten. Deutsche Expressionisten, russische Avantgardisten und Schweizer Maler, die hier anders leben und arbeiten wollten. Museale Qualität ist garantiert.

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