Fasanenstraße 2016

Die Charlottenburger Kunstszene ist wieder quicklebendig und vereint Westberliner Grandezza mit internationalen Zeitgenossen – jenseits der Hipster-Kultur

Hans Hartungs »CP PM 1973-15« von 1973
Die Galerie Fahnemann zeigt zum 35-jährigen Bestehen unter anderem Hans Hartungs »CP PM 1973-15« von 1973

Einen Besuch der Galerien rund um die Fasanenstraße beginnt man zur Einstimmung am besten im Museum. Vis-à-vis vom Bahnhof Zoo präsentiert der neoklassizistische Bau des Museums für Fotografie das Werk des berühmtesten Fotografen der Stadt, Helmut Newton. Ein paar Meter entfernt, auf der Hardenbergstraße, folgt gleich die nächste Fotoadresse: Das C/O Berlin zeigt in Wechselausstellungen große Namen der zeitgenössischen Fotografie. Seit dem Umzug von Mitte ins Amerika Haus hat diese Institution nicht nur an Platz, sondern auch nochmals an Bedeutung gewonnen.

Auf der Hardenbergstraße geht es nun in Richtung Fasanenstraße, jedoch nicht ohne einen Stopp bei der Galerie Nierendorf, die hier seit 1963 residiert und sich der schönen, Ku’damm-typischen Schaukästen auf dem Trottoir bedient. Otto Möller und Lovis Corinth, Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff – die 1920 gegründete und während der Nazizeit in New York angesiedelte Galerie ist bis heute eine Wunderkammer der klassischen Moderne.

»Millau 003« des baskischen Fotokünstlers Aitor Ortiz bei Galerie Springer
»Millau 003« des baskischen Fotokünstlers Aitor Ortiz bei Galerie Springer

Am Ludwig Erhard Haus biegen wir nun links in die Fasanenstraße ein und besuchen die Galerie Springer, die in einem der ungewöhnlichsten Gebäude der Straße ausstellt, dem Künstlerhaus St. Lukas. Auch Springer ist ein traditionsreicher Name – der Vater des heutigen Inhabers betrieb an gleicher Stelle eine Galerie –, und auch hier steht, typisch Charlottenburg, die Fotokunst im Fokus. Aktuell zeigen Heide und Robert Springer den in Deutschland erst wenig bekannten baskischen Fotografen Aitor Ortiz, der verlassene Bauten in rätselhafte Monumente und Strukturen transformiert.
Vorbei am Jüdischen Gemeindehaus und am Hotel Kempinski stößt man zwischen Kurfürstendamm und Lietzenburger Straße gleich auf ein ganzes Nest von Kunstinstitutionen. Wir beginnen mit dem Auktionshaus Grisebach in der gleichnamigen Villa, deren Vorbesichtigungen locker einen Museumsbesuch ersetzen können. Die Abteilungen für Fotografie und zeitgenössische Kunst haben jeweils eigene Räume in der Nachbarschaft. Im Gebäudeensemble von Villa Grisebach und Käthe-Kollwitz-Museum befindet sich seit 2012 auch die GalerieKornfeld,diein ihrem Souterrain-White-Cube zurzeit Tamara Kvesitadze vorstellt. Der umtriebige Inhaber Alfred »Freddy« Kornfeld betreibt außerdem einen Projektraum auf der Fasanenstraße, 68projects, wo bis 4. Juni in Kooperation mit Thole Rotermund Papierarbeiten zu sehen sind.

Thomas Müllers Kugelschreiberzeichnung (ohne Titel, 2013) ist neben anderen Papierarbeiten derzeit bei 68projects zu sehen
Thomas Müllers Kugelschreiberzeichnung (ohne Titel, 2013) ist neben anderen Papierarbeiten derzeit bei 68projects zu sehen

Wir bleiben zunächst im selben Block, denn in diesem Teil der Fasanenstraße liegen die Kunstadressen so dicht an dicht, dass man sich gar nicht fortbewegen muss, um etwas Neues zu entdecken. Neben Kornfeld hat kürzlich die Arndt Art Agency eine Beletage bezogen und zum Auftakt den Zero-Künstler Heinz Mack gezeigt, zum Gallery Weekend folgt eine Schau mit José Santos III. Gegenüber befinden sich nebeneinander der Kunsthandel Wolfgang Werner, der hier seit 25 Jahren die großen Namen der Vor- und Nachkriegsmoderne vertritt, der Asiatikaspezialist Günter Venzke und die Verkaufsgalerie des Münchner Auktionshauses Ketterer. Die Atmosphäre ist familiär, man scherzt über die steigende Zahl edler Bettenläden in der Nachbarschaft und erfreut sich an der gut situierten Laufkundschaft, die hier nach einem Kaffee im malerischen Literaturhaus gern zum Kunstkauf vorbei kommt. Zu den Global Playern zählt die Galerie Buchholz mit Hauptsitz in Köln und Dependance in New York, die zum Gallery Weekend Ende April Wolfgang Tillmans zeigt. Und noch einmal Fotokunst: Seit 2009 widmet die Galeristin Johanna Breede, früher Leiterin der Fotoabteilung beim Nachbarn Grisebach, im Mikrokosmos zwischen Ku’damm und Lietzenburger Straße dem Thema fünf bis sechs Ausstellungen im Jahr.

Gabriel von Max. »Schlafen gehn!« (um 1900) bei Galerie Klaus Gerrit Friese
Gabriel von Max. »Schlafen gehn!« (um 1900) bei Galerie Klaus Gerrit Friese

Wer meint, er hätte nun genug gesehen, verpasst etwas. Denn jenseits der Lietzenburger Straße erwartet einen nicht nur der junge Thomas Derda, Spezialist für Bauhaus und klassische Moderne, am Fasanenplatz hat vor einem Jahr auch der Galerist Klaus Gerrit Friese, aus Stuttgart hergezogen, seine neuen Räume mit Leben gefüllt. In der großen Beletage des Eckhauses, in dem einst Heinrich Mann lebte, werden Künstler der Moderne und junge Zeitgenossen zusammengebracht. Auch die Galerie Fahnemann, die unter anderem Jorinde Voigt entdeckte und wichtige Informel-Maler zeigt, sitzt in diesem Häuserblock – doch sehen Sie selbst.

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Arndt Art Agency am neuen Standort Fasanenstraße
Die erste Schau der Arndt Art Agency am neuen Standort Fasanenstraße galt Heinz Mack

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