Bild des Tages

Differenz und Wiederholung

Der jährliche Kunstpreis des Haus am Kleistpark ehrt dieses Jahr eine Arbeit der Berliner Künstlerin Fiene Scharp

Von Catherine Peter
08.09.2023

Ein regelmäßiges Raster aus Quadraten durchlöchert die Ansichtskarte. An vielen Stellen haben sich Teilchen gelöst, und mit ihnen sind einzelne Informationen des Bildes weggefallen. Noch ist eine Straße mit parkenden Autos und Fußgängern zu erkennen. Ein wenig sieht es aus wie ein Puzzle, dass momentan nicht fertig ist. Oder wie eine Landschaft, die zerstört wurde. Die Serie „Greetings from …“ besteht aus älteren Postkarten mit touristischen Motive aus Ländern wie Afghanistan, Irak, Jemen, Nigeria, Syrien oder der Ukraine – Länder die nicht mehr zu beliebten Reisezielen zählen, sondern die von Kriegen und Katastrophen beherrscht werden. Es ist unter anderem der politische Aspekt dieser Arbeit der Künstlerin Fiene Scharp, der die Jury des Kunstpreises des Haus am Kleistpark in Berlin überzeugt hat.

In ihrer Rede zur Verkündung des Preises begründet Julia Rosenbaum die Entscheidung wie folgt: „Dass Gesellschaften Kontinuität und den Bezug zur Vergangenheit brauchen und sichnur so gesellschaftlicher Zusammenhalt bewahren lässt, wird vielfach in diesen Tagen diskutiert. Wie sehr auch der westliche Blick auf diese Länder nicht selten Lücken oder Fehlstellen aufweist, gibt uns diese Arbeit zu denken“. Der Kontrast zwischen der hohen Aussagekraft der Arbeit und der Art und Weise wie sie entsteht, ist kennzeichnend für das Werk: mit einem Skalpell durschneidet die Künstlerin unter hoher Konzentration minutiös die Bilder. Dabei interessieren sie besonders die kleinen Unregelmäßigkeiten, Brüche und Wölbungen, die durch die Handarbeit mit dem fragilen Papier entstehen. Bis jetzt besteht die Arbeit aus 31 Postkarten, die Serie ist nicht abgeschlossen.

Übrigens: Die Ausstellung des 20. Kunstpreises des Haus am Kleistpark ist bis zum 1. Oktober in Berlin zu sehen. Weitere Arbeiten von Fiene Scharp befinden sich in der Ausstellung „World framed“ im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, die noch bis zum 8. Oktober läuft.

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