Ausstellungstipps

Die schönsten Ausstellungen im August

Sommerloch? Von wegen! Hier warten die Kunsterlebnisse des Sommers: vom Verlorengehen in Otto Muellers lichter Waldlandschaft über einen trommelnden Bären in Dresden bis Sibylle Bergemanns Fotografien in Berlin

Von Tim Ackermann, Simone Sondermann und Clara Zimmermann
01.08.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 202

Mythos Wald

Kunsthalle Emden, bis 31. Oktober

Zum Wald ist in Deutschland eigentlich alles gesagt, aber offensichtlich längst noch nicht alles gezeigt: Die Kunst arbeitet sich an dem nationalen Mythos, der früh im 19. Jahrhundert entstand, weiterhin gerne ab. Ob Otto Mueller seine „Waldlandschaft“ im Jahr 1921 als Ort zum sommerlichen Verlorengehen imaginiert oder Andreas Mühe 2015 in „Gespensterwald“ die Rückenfiguren der Romantik auf ironische Weise zitiert – der Baumbestand wirkt stets bedeutungsschwanger und unergründlich. An die Fragilität des Ökosystems erinnert dann David Claerbout mit dem Video „Wildfire (meditation on fire)“ von 2019/2020: Die Flammen eines Waldbrands verzehren ein computergeneriertes Gehölz.

Otto Mueller Waldlandschaft
Otto Mueller malte seine leuchtend grüne „Waldlandschaft“ im Jahr 1921. Nun ist sie in der Kunsthalle Emden zu sehen. © Privatsammlung Süddeutschland

Figurenautomaten

Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden, bis 25. September

Ist das Mechanik oder Magie? Die Gäste am kurfürstlich-sächsischen Hof dürften gerätselt haben über den Anblick eines kindsgroßen Bären, der auf eine Trommel einschlägt und dabei mit den Augen rollt. Dank ihres Fellüberzugs wirkt die um 1625 geschaffene Figuren-Automatenuhr verblüffend lebensecht. Da sowohl Haarkleid als auch technisches Innenleben fragil sind, hat der „Trommelnde Bär“ heutzutage Bewegungsverbot. In Videobildschirmen können Besucher die vielen historischen Automaten dennoch in Aktion erleben, was die Schau durchaus faszinierend macht. Zudem weben kinetische Kunstwerke der Gegenwart von Jean Tinguely oder Christian Werdin mit knirschenden Gelenken ihren Zauber.

Sibylle Bergemann

Berlinische Galerie, bis 10. Oktober

Hunde waren ein beliebtes Motiv von Sibylle Bergemann, das sich durch ihr gesamtes Œuvre zieht – den weißen Vierbeiner im Auto  entdeckte sie 1986 auf einer Reise durch die Niederlande. Über mehr als vier Jahrzehnte fotografierte die Berlinerin die Welt, die sie umgab, und fing dabei den Traum vom Außergewöhnlichen im Lebensalltag der DDR ein. Über 200 Mode-, Porträt- und Stadtaufnahmen sind nun in der großen Retrospektive zu sehen, die auch Bilder der Nach-Wende-Ära umfasst. Auch ihre Serie „Das Denkmal“, für die sie elf Jahre lang den Entstehungsprozess des Marx-Engels-Forums begleitete, wird gezeigt: Eine in der Luft schwebende Engelsfigur zeugt von Bergemanns besonderem Blick für bleibende Momentaufnahmen.

Sibylle Bergemann Berlinische Galerie
Hunde sind ein wiederkehrendes Motiv bei Sibylle Bergemann. Dieses Foto nahm sie 1986 in den Niederlanden auf. © Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Nadira Husain

Mathildenhöhe, Darmstadt, bis 2. Oktober

Ein leichthändiges Mixen von Motiven aus unterschiedlichen Kulturen gehört zum Erfolgsrezept von Nadira Husain: Figuren aus den Miniaturen des indischen Mogulreichs stehen bei ihr neben Brezelformen, die die 1980 geborene Französin mit indischen Wurzeln aus ihrer Wahlheimat Berlin kennt. Bâtarde, also „Bastardin“, nennt die Künstlerin ihre Praxis, bei der sie aus der kreativen Kraft des Hybriden schöpft. Ob auf dem Blumenmuster-Untergrund eines Stoffbilds verliebte Kentauren in den semiotischen Dschungel locken oder auf dem Hals einer Vase Hände und Pflanzen emporranken – ein fesselndes Seherlebnis ist garantiert!

Nadira Husain Vase Tongue
Auf dem Hals der Vase „Tongue“ (2020) von Nadira Husain ragen Hände und Pflanzen empor. © The Artist and PSM, Berlin/Marjorie Brunet Plaza

Robert Colescott

New Museum, New York, bis 9. Oktober

Wären die USA heute ein glücklicheres Land, wenn George Washington eine schwarze Haut gehabt hätte? Diese Frage wirft ein Bild von Robert Colescott aus dem Jahr 1975 auf, das ein bekanntes Historiengemälde zitiert, in dem der erste amerikanische Präsident den Delaware überquert. Bei Colescott ist Washington ein Black American und zu seiner Bootsbesatzung gehören keine Soldaten sondern ein Koch und ein fröhlicher Banjospieler. Das wirkt besser gelaunt. Auch in anderen Werken wie „Go West“ (1980) spielte der 2009 verstorbene Maler mit Stereotypen und machte dabei auf die Lage von schwarzen Menschen aufmerksam. Ein Pionier, zweifellos.

Checkpoint

Kunstmuseum Wolfsburg, bis 18. September

Seit langen 77 Jahren ist Korea geteilt, seit knapp 70 Jahren liegt zwischen den verfeindeten Brüderländern die sogenannte Demilitarisierte Zone, ein Niemandsland, Sinnbild von Unmenschlichkeit. Was diese Grenze, eine der bestgesicherten der Welt, mit den Menschen, die mit ihr leben, macht, zeigt eine Schau in Wolfsburg. Heinkuhn Ohs Fotoserie zu Grenzsoldaten macht in den Gesichtern die Monotonie und Anspannung sichtbar, während Adrián Villar Rojas alte Leute in einem Dorf der „Pufferzone“ durch ihren surrealen Alltag zwischen Gymnastik und Sirenengeheul filmisch begleitet. Beeindruckend.

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