Dirk Geuer über Heinz Mack

„Ich bin kein typischer Galerist“

Zur Venedig-Biennale zeigt die Biblioteca Nazionale Marciana am Markusplatz eine große Ausstellung mit Heinz Mack. Ein Gespräch mit dem Düsseldorfer Galeristen Dirk Geuer, der die Schau ermöglicht hat, über den Zero-Künstler und seinen Werdegang als Kunsthändler

Von Ingeborg Harms
08.06.2022

Ist Ihre Frau an der Galerie beteiligt?

Wir haben damals zusammen angefangen, deshalb heißen wir auch Geuer & Geuer. Der Christo-Kurator, der die Reichstagsausstellung nach Berlin geholt hat, wusste, was ich in meinem Leben abgekriegt habe. Der sagte, weiß du was, dann manifestiere das auch im Namen. Meine Frau und ich halten uns gegenseitig den Rücken frei.

Wie wichtig ist Glamour für eine Galerie?

Mich interessiert Glamour überhaupt nicht, aus dem privaten Leben der Künstler habe ich mich immer rausgehalten. Das heißt, ich nutze es nicht für mich. Ich komme gerade aus Dubai zurück, da ging mir Glamour furchtbar auf die Nerven. Ich habe viele Künstler durch ihn stolpern sehen.

Ist es kein Problem, mit den beiden „Zero“-Gründern Mack und Uecker gleichzeitig zu arbeiten?

Das ist ganz einfach, weil Uecker auf seiner Ebene eine großartige Position hat, und Mack auf seiner. Die darf man nur nicht vermengen.

Was bedeutet das?

Sie haben die Zero-Position für einige Jahre gemeinsam zum Ausdruck gebracht und danach jeder für sich deutsche Kunstgeschichte für die Welt geschrieben.

Planen Sie weitere Projekte mit Günter Uecker?

Alle Künstler haben in dieser Covid-Zeit eine noch größere Einsamkeit erfahren. Sie merken auch, wie Gefährten plötzlich weg sind, Otto Piene, der dritte „Zero“-Gründer, der auf dem Weg zu einer Ausstellung im Taxi starb. Beim letzten Besuch bei Uecker wurde sehr deutlich, dass er nur noch schauen will, dass das für ihn Wichtige entsteht. Ideen erreichen ihn im Moment nicht, weil er total auf eine Sache fokussiert ist. Immendorff sagte das so schön: Er sei immer auf der Suche nach dem Bild der Bilder gewesen.

Vertreten Sie Günter Uecker allein durch die Grafik?

Nein. Aber er hat mich so lange mit sich arbeiten lassen, weil ich nie die Frage nach einem Unikat gestellt habe. Ich durfte im Zusammenhang mit vielen Ausstellungsprojekten Editionen mit ihm machen, auch “Works on Paper” mit ihm und seinem Kurator, das war damals meine Idee. Dann bekam ich innerhalb kürzester Zeit die Chance, in China eine Ausstellung zu organisieren. Das war auch ein Wahnsinn. Uecker hat uns seine ganzen Reiseaquarelle mitgegeben, eine Art Reisetagebuch in gezeichneter Form.

Wie kam es überhaupt zu der Ausstellung in China?

Wir saßen in Halle in einem Restaurant zusammen. Ich habe Herrn Uecker die Frage gestellt, wo er denn noch nicht gewesen sei. Was mich interessieren würde, sagte er, ist China, als Land, Mentalität und auch als Begegnung. Er nannte auch Kuba und den Iran, und in allen drei Ländern habe ich Ausstellungen organisiert. Wir waren in Kuba, als Fidel Castro noch lebte, im Iran noch unter Ahmadinedschad. „Die Verletzung des Menschen durch den Menschen“ war der Titel. Alle sagten, damit kriegst du das niemals hin. Und als wir im Iran erstmals mit dem Direktor des Nationalmuseums gesprochen haben, sagte er: Das ist wirklich wichtig, dann zeigen wir der Welt, was die amerikanische Haltung mit uns anstellt. Uecker hat mich seinen Marco Polo für Museen genannt.

Sind Künstler Egomanen?

Zum Teil schon, aber von den Egomanen habe ich mich getrennt. Denn dann wird es sehr anstrengend. Der Künstler muss eine eigene Handschrift haben, aber die wirklich Großen wissen, dass der Erfolg immer der Erfolg eines Teams ist, das an das Gleiche glaubt. Narzißmus ist eher hinderlich, die schlimmste Versuchung ist, sich über alles zu stellen. Bei Mack gibt es die pure Leidenschaft, der Schönheit ein Gesicht zu geben. Er ist schwer angefeindet worden, weil er Schönheit in einer Zeit verkörpert hat, die sie verpönte. Es musste politisch sein. Das Problem musste sichtbar gemacht werden. Ich finde, wenn wir die Kunst nicht hätten, wären wir ein armes Volk. Sie ist ein Grundnahrungsmittel. Ich selbst habe viele Angriffe erlebt, aber ich möchte nie etwas anderes machen. Das Miteinander gehört zu den unfassbar schönen Seiten meines Berufs, Dankbarkeit, etwas zu erreichen.

Haben Sie je mit Heinz Mack über Christo gesprochen?

Die Künstler bleiben sehr gern bei ihrem eigenen Thema. Christo und Jeanne-Claude sagten immer: Wir reden nicht über Politik, Religion und andere Künstler.

Wie unterscheiden Sie Visionäre und Angeber?

Visionäre sind ja Künstler. Ihnen gegenüber braucht man ein Gespür dafür, was Utopie und Wirklichkeit ist oder werden kann. Inzwischen weiß ich, welche Hebel man bewegen muss, um verrückte Projekte Wirklichkeit werden zu lassen. Denken Sie an Christo und Jeanne-Claude. Das waren doch unrealistische Projekte, auch die „Gates“, an denen ich teilweise intensiv mitmachen durfte. Sie haben sich weder finanzieren noch fördern lassen. Jeanne-Claude war für mich ein kleiner Schutzmantel, denn auch um Christo herum gab es Menschen, die ich nicht brauchte. Mich wundert manchmal, dass Künstler das akzeptieren und tolerieren. Da herrscht ein unfassbares Wegbeißen. Aber ich habe mich nie abwimmeln lassen.

Service

Ausstellung

„Heinz Mack – Vibration of Light / Vibrazione della luce“,

Biblioteca Nazionale Marciana, Venedig,

bis 17. Juli

geuer-geuer-art.de

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