Antisemitismus auf der Documenta 15

Die Documenta taumelt

Die Documenta 15 gerät immer schärfer in die Kritik: Die indonesische Künstlergruppe Taring Padi hat ein Werk mit antisemitischen Inhalten auf den zentralen Friedrichsplatz gestellt. Nun wurde es abgebaut

Von Sebastian Preuss
20.06.2022

Jetzt hat es die Documenta doch noch erwischt. Dabei waren es so so schöne Eröffnungstage. Wir alle aus der Redaktion, die dort waren, kamen mit einer Fülle von tollen Eindrücken zurück. Endlich einmal eine Ausstellung, die vom globalen Süden aus auf die Welt blickt und eine Kunst vorführt, wie man sie in Europa noch nie erleben konnte. Das indonesische Leitungskollektiv Ruangrupa begeisterte mit einer offenen Atmosphäre, in dem alles gemeinschaftlich entschieden wird, junge Menschen aus aller Welt die Stadt bevölkerten. So war Kassel noch nie zu erleben. Nach all den Diskussionen im Vorfeld schauten wir uns natürlich alle Werke von Palästinensern genau an. Dort gab es durchaus polemische Israelkritik, vor allem bei Mohammed Al Hawajris Serie „Guernica Gaza“. Aber Diffamierung von Juden war in diesen Teilen der Ausstellung ebenso wenig auszumachen wie die Infragestellung der Existenz Israels.

Dann hielt Bundespräsident seine kritische Eröffnungsrede. Er lobte die Entscheidung für ein indonesisches Leitungsteam, aber er warf der Documenta-Leitung vor, die unterschiedlichen Haltung zur zweifelsfreien Anerkennung Israels in Deutschland und im globalen Süden im Vorfeld nicht ausreichend diskutiert zu haben. Auch wenn es zuerst nicht so aussah, Steinmeier hatte recht. Denn am Wochenende entdeckten Besucher, was die Profis (auch ich) nicht bemerkt hatten. In einem ihrer großen Agit-Prop-Bilder gegen alle Formen von Unterdrückung hatte das indonesische Künstlerkollektiv Taring Pari einen jüdisch aussehenden Mann mit SS-Runen und einen Kämpfer des Mossad mit einer Schweinefratze versehen. Das ist Antisemitismus, wie er in Deutschland nicht geduldet werden kann. Jetzt ist das Desaster da. Das hessische Kunstministerium hat sich schon zu Wort gemeldet und will eine Untersuchung einleiten, auch Kulturministerin Claudia Roth äußerte sich empört. Im ersten Schritt ließ das Documenta-Kuratorenteam das Großbild mit einem schwarzen Tuch verhüllen, nun ist es abgebaut worden. Ein notwendiger Schritt und nur der Anfang der Aufarbeitung. Es wäre ein Jammer, wenn diese so sehr anregende, in vielem wichtige Documenta in diesem Strudel unterginge.

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