Yves Saint Laurent

Die Kunst des kopierten Kleides

Der Modeschöpfer Yves Saint Laurent ließ sich bei seinen Entwürfen von der Malerei der Moderne inspirieren. Das zeigt jetzt ein Ausstellungsreigen in den großen Museen von Paris

Von Olga Grimm-Weissert
02.02.2022

Vierzig Jahre lang prägte Yves Saint Laurent den Begriff der Mode – aber auch die Kunst war ihm nicht fremd. Zur Erinnerung an die erste eigene Modeschau des Franzosen am 29. Januar 1962 starten jetzt sechs Pariser Museen ein Novum: „Yves Saint Laurent im Museum“. Originalmodelle der Haute Couture sind vor den  Gemälden, die den Modezar direkt inspirierten, in den Sälen der Museen ausgestellt.

Initiator ist der Leiter der Fondation Pierre Bergé-Yves Saint Laurent, Madison Cox, der Witwer von Pierre Bergé. Letzterer förderte das Genie seines Lebenspartners Yves Saint Laurent bis zu dessen Tod 2008 und managte zudem das Haus YSL bravourös.  Madison Cox verfügt mit dem Pariser „Musée Yves Saint Laurent“ und der Stiftung über das systematisch aufgebaute Archiv mit den Entwürfen des begabten Zeichners, den Originalmodellen sowie den Accessoires (Hüte, Schuhe, Handtaschen), die er nun den Museen, die über die entsprechenden Gemälde verfügen, leiht.

YSLs letztes Defilee im Pompidou

Die grössten Pariser Häuser sind beteiligt, wie das Centre Pompidou, wo auch das letzte „Retrospektive Defilee“ Ende Januar 2002 über den Laufsteg ging –nachdem der Modezar zu Beginn jenes Jahres angekündigt hatte, die Haute Couture und seine Karriere einzustellen. Weiter eingebunden sind das Musée d’art moderne (MAM) der Stadt Paris, das Musée d’Orsay, der Louvre und das Picasso-Museum.

 

Yves Saint Laurent Hommage Piet Mondrian Ausstellung Paris
Wie ein Gemälde auf dem Körper: Yves Saint Laurents Kleid „Hommage à Piet Mondrian“ aus der Herbst/Winter-Kollektion 1965. © Yves Saint Laurent/Nicolas Mathéus

Die Kunst-Schnitzljagd führt zu Werken von Vincent van Gogh, Piet Mondrian, Pablo Picasso, Henri Matisse, Georges Braque, Pierre Bonnard, Raoul Dufy oder den Pop-Künstlern Tom Wesselmann und Martial Raysse. Ebenso gerät die afrikanische Skulptur in den Blick, die Yves Saint Laurent auf Kleidern, Jacken oder Mänteln wieder aufleben ließ. 

Einige Fotografien in den beteiligten Museen dokumentieren den Personenkult um den gutaussehenden jungen Mann, der es 1971 wagte, nackt für den Fotografen Jeanloup Sieff zur posieren, um sein Parfüm zu lancieren. Der Skandal war wie üblich die beste Werbung.

Jeanloup Sieff Yves Saint Laurent 1971 Centre Pompidou Paris
Jeanloup Sieff: „Portrait de Yves Saint Laurent“, 1971. © Estate of Jeanloup Sieff/Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN- Grand Palais/image Centre Pompidou, MNAM-CCI

Nach dem kleinen Musée Yves Saint Laurent, wo unter anderem die Jacke mit den gestickten Sonnenblumen von Vincent van Gogh zu sehen ist, führt der Museumsmarathon zum nahe gelegenen MAM (Musée d’art moderne), das der Stadt Paris gehört. Wie in allen städtischen Pariser Museen ist der Eintritt zur phänomenalen Sammlung des MAM gratis.

Im Matisse-Saal entdeckt man einen betörenden hellblauen Abendmantel, der die Farben eines großformatigen Bildes des Malers wiedergibt. Auch im Centre Pompidou trifft man auf Matisse, wo YSL die rumänische Bluse eines rotgrundigen Frauenporträts einfach übernahm. Die erste „Anleihe“ des jungen Modeschöpfers, als er 1965 Piet Mondrians strenge geometrische Komposition auf schlichte Kleider transferierte, befindet sich im gleichen Museum.  

Die Jacke von Picasso geklaut

Eine fantasievolle Jacke, welche die schöne Schauspielerin Nusch Éluard im Herbst 1937 trug, als Pablo Picasso sie porträtierte, kopierte YSL in Farbe, Schnitt und Knopfleisten, vereinfachte sie aber noch ein bisschen, wie man im Picasso-Museum sieht.

Dagegen bewundern die Besucherinnen und Besucher in der Galerie d’Apollon des Louvre neben funkelnden Kronjuwelen einige Jacken von YSL mit stupenden und kostbaren gestickten Motiven, applizierten Goldblättchen oder Rohkristall. Im Verhältnis dazu sind die Smokong-Varianten, die YSL ab 1966 für Frauen adaptierte, im Musée d’Orsay von einfacher Klasse.

Yves Saint Laurent Jacke Hommage ma Maison Ausstellung Paris
Die Jacke „Hommage à ma maison“, bestickt mit Gold und Bergkristall, stammt aus der Frühjahrs/Sommerkollektion 1990 von Yves Saint Laurent und wird jetzt im Louvre präsentiert. © Yves Saint Laurent/Nicolas Mathéus

Um alle sechs Museen an einem Tag zu besuchen, muss man gut in Form sein. Wegen der unterschiedlichen Tarife in den Häusern gibt kein gemeinsames Ticket. Und leider offeriert nur das Centre Pompidou einen Folder mit der Angabe der Säle, wo man YSL-Modelle findet. Sehr mager sind die Informationen hingegen der Louvre, wo es kein Personal an den Informationsschaltern gibt, die Orientierungspläne nicht auf deutsch existieren und man vergebens nach einem Hinweis auf „YSL im Museum“ sucht.  

Die Initiative ist jedoch eine Gelegenheit, die außerordentlichen Sammlungen moderner Kunst der Pariser Museen zu entdecken und zu geniessen. Und Yves Saint Laurent bewirkt posthum, dass die Mode – zumindest vorübergehend – den schon von Kulturminister Jack Lang vor vierzig Jahren gewünschten Einzug ins Museum hält.

Service

Ausstellung

„Yves Saint Laurent aux Musée“

Diverse Museen in Paris

bis 15. Mai (im Musée Picasso nur bis 15. April)

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