Thomas Ruff in Düsseldorf

Kunstvoll manipuliert

Wie Bilder beeinflussen, zeigt eine Ausstellung von Thomas Ruff in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Im Fokus stehen seine Arbeiten der letzten 20 Jahre

Von Alexandra Wach
14.10.2020
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 176

Groß geworden ist der Becher-Schüler Thomas Ruff in den Achtzigerjahren mit haarscharfen Porträts. Um die Anfänge soll es aber nicht gehen. Nicht um die schwarz-weißen Interieurs, als er noch keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Fotografie hegte. Nicht um die starren Gesichter der Freunde, die er arrangierte und dabei das Fälschungspotenzial des Mediums entdeckte.

Im Fokus stehen Arbeiten der letzten 20 Jahre, für die der 62-Jährige kaum noch selbst die Kamera in die Hand nahm, ausgenommen die Serie „flower.s“ von 2018, die er mit einer Digitalkamera fotografierte. Die Blätter und Blüten fand Ruff vor seinem Atelier. Natürlich beließ er es nicht bei dieser einen Fototechnik. Da er sich gerade für die Pseudo-Solarisation aus dem 19. Jahrhundert interessierte, verschmolz er beide Ansätze. Das Ergebnis waren „digitale Fotogramme“, hergestellt in der digitalen Dunkelkammer.

Technikgeschichte ist nur ein Aspekt, an dem sich Ruff seit seinem Verlust des Glaubens an die Objektivität der Fotografie abarbeitet. Sein wichtigstes Instrument ist der Computer, den er mit fremdem Material füttert, um die Nutzungsweisen des Bildes zu erforschen. Die Quellen für die Vorlagen stammen aus Zeitungsarchiven und anderen Websites. So auch in der neuesten Serie „Tableaux chinois“, für die er chinesische Publikationen der Sechzigerjahre über Mao scannte, flankiert von weltweit veröffentlichten Parteizeitschriften, wie etwa „La Chine“, die ein paradiesisches Land zeigte. „Ich finde Bilder, die so offensichtlich lügen, faszinierend“, sagt er. „Und die Propagandafotografie ist die verlogenste Form der Bildproduktion, weil sie vor allem manipulieren will.“ Beim Abspeichern sorgte Ruff deshalb dafür, dass das analoge Offsetdruckraster erhalten blieb und durch die anschließende Verpixelung zum Irritationsmoment wird.

Auf seine Art manipulativ ist er bereits 1999 bei der Serie „nudes“ vorgegangen. In dieser Zeit brauchte es noch reichlich Geduld, um Bilder aus dem Internet runterzuladen. Ruff wollte das Genre der Aktfotografie aufgreifen und experimentierte mit schlecht aufgelösten Dateien von Pornoseiten. Er rechnete sie hoch, wodurch man nach der Ausbelichtung auf Fotopapier nur noch Umrisse wahrnahm. So gelang ihm ganz nebenbei ein luzider Kommentar zum Voyeurismus im Internet.

Das Anwachsen der Möglichkeiten, „falsche Bilder“ herzustellen, ist laut Ruff keineswegs eine neue Entwicklung. Weswegen er zurückschaut, etwa auf frühe Werbe- und Pressefotos, als die Manipulation schon einkalkuliert wurde. Wie bei der Serie „press++“, die am Anfang der Schau steht. Amerikanische Pressefotografien dienen Ruff dazu, die eingreifende Arbeit der Bildredakteure vorzuführen. „Die Herstellung von Bildern selbst ist vielfältig“, meint Ruff, „aber die Bilder, die dann von den Medien verbreitet werden, sind nur die, welche der dominierenden Einstellung entsprechen.“ In dieser Scheinwelt übernimmt er die Rolle des Spielverderbers, der die Strategien hinter der Beeinflussung aufzeigt. In Zeiten der omnipräsenten Fake News lohnt schon allein diese enthüllende Serie den Besuch.

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20
Wie Bilder beeinflussen, zeigt eine Ausstellung von Thomas Ruff in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20 in Düsseldorf © Kunstsammlung NRW, Foto: Sebastian Drüen

Service

AUSSTELLUNG

„Thomas Ruff“

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (K20), Düsseldorf

bis 7. Februar

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