Ausstellungen

Auf zu neuen Ufern: Dresdens Avantgarde

Zwei Ausstellungen im Stadtmuseum und in der Städtischen Galerie beleuchten die Dresdner Moderne in der Zeit der Weimarer Republik

Von Tim Ackermann
21.08.2019

Die Geschichte der Moderne in Dresden ist auch eine Erzählung im Konjunktiv: Wenn 1933 in Deutschland nicht die Nazis an die Macht gekommen wären – hätten sich in der Elbstadt die progressiven Energien erhalten und vielleicht allmählich durchgesetzt? Sodass Dresden heute auch für die Ästhetiken des Bauhauses, des Konstruktivismus, der Neuen Sachlichkeit bekannt wäre? All diese Strömungen flossen durch die Stadt und haben sie zumindest in Teilen geformt – daran erinnert die Ausstellung „Dresdner Moderne 1919 bis 1933. Neue Ideen für Stadt, Architektur und Menschen“ im Stadtmuseum.

Neues Bauen in Dresden

Das Avantgarde-Netzwerk im Dresden der Zwanzigerjahre war zweifellos überschaubar. Im Zentrum standen Persönlichkeiten wie die Sammlerin Ida Bienert, die immerhin vom Maler Piet Mondrian 1926 einen (nicht realisierten) Entwurf zur konstruktivistischen Umgestaltung eines Damenzimmers erhielt. In ihrem Salon konnte man auf den Maler Paul Klee, den Kritiker Will Grohmann oder den Weimarer Bauhaus-Direktor Walter Gropius treffen. Gropius, der oft in Dresden weilte, reichte 1925 sogar einen Wettbewerbsbeitrag für den Neubau des Dresdner Lehrervereins ein. Blickt man auf den Entwurf mit seinem Stahlskelett, dem Flachdach und der Glasfassade ist die Ähnlichkeit mit dem Bauhausgebäude, das 1925/1926 nach dem Umzug in Dessau entstand, frappierend. Gropius’ Vision landete hinter dem Entwurf von Emil Högg, und umgesezt wurde am Ende keiner. So verpasste Dresden seine Chance auf eine echte Bauhaus-Ikone.

Andere Architekten hatten mehr Erfolg: Erich Hempel schuf im Vorort Gruna eine Wohnanlage, bestimmt von klaren, schmucklosen Fassaden und einem rationalen Geist. Sie galt als gelungenes Beispiel des Neuen Bauens, einem Modebegriff des Jahres 1919, und war in den Musterwohnungen mit modernsten Stahlrohrmöbeln ausgestattet. Die Anlage ist nach wie vor bewohnt – wohingegen andere Gebäude jener Epoche nach der Wende 1989 dem Markt und damit dem Verfall preisgegeben wurden. So wie das Sachsenbad, vom Stadtbaurat Paul Wolf 1928/1929 errichtet. In der Ausstellung erinnern Fotos an die Großzügigkeit und die Ambition, mit der es für die Bevölkerung geplant wurde.

Auf den Spuren der Dresdner Sezession

Das Jahr 1919 – im Stadtmuseum als Verweis auf die Bauhaus-Gründung in Weimar gewählt – war noch anderweitig bedeutsam: Im Januar formierte sich die „Dresdner Sezession Gruppe 1919″ um den Maler Conrad Felixmüller. Dieses Ereignis würdigt nun 100 Jahre danach die Städtische Galerie mit der Schau „Signal zum Aufbruch!“, in der man schön sieht, wie die Maler der zweiten Expressionisten-Generation ihre „Brücke“-Vorbilder verehrten: Felixmüllers Zeichnung „Berlin“ (um 1917) imitiert Kirchners Formzersplitterungen, und Peter August Böckstiegel wandelt mit Holzschnitten wie „Klage der Frauen“ (1919) in den Fußstapfen Schmidt-Rottluffs.

Für eine der ersten Ausstellungen der Gruppe im Kunstsalon Emil Richter schuf Otto Dix das Plakat. „Es gehören alles Leute dazu, die Dresden als Expressionisten etwas zu geben haben“, erklärte der Maler in einem Brief. Dabei lassen seine Gemälde aus jenem Jahr wie „Männerkopf (Pol Cassel)“ noch kubofuturistische Ansätze erkennen, während die Radierung „Kriegskrüppel“ (1920) schon die veristischen Gesellschaftssatiren einleitet. Die Sezession löste sich 1922 wegen interner Differenzen auf. Und auch Dix zeigte sein von Skandalen begleitetes Hauptwerk „Schützengraben“ erst nach seinem Umzug 1923 im Rheinland. Zum großen Glück für Dresden nahm er die Komposition noch einmal auf, im Triptychon „Der Krieg“ (1929–1932), das  dem Albertinum gehört.

Service

Ausstellung

„Dresdner Moderne 1919 bis 1933″

Stadtmuseum
vom 29. Juni bis 27. Oktober

 

„Signal zum Aufbruch!“

Städtische Galerie
bis 15. September 

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 159/2019

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