Ausstellungen

Sammlung Goetz: Quietschbunt und tabubefreit

Die Sammlung Goetz widmet sich in einer dreiteiligen Schau dem künstlerischen Schaffen von Frauen

Von Roberta De Righi
18.06.2018

„Abuse of power comes as no surprise“ – Machtmissbrauch ist keine Überraschung. „Anger or hate can be a useful motivating force“ – Wut oder Hass kann eine nützliche Triebkraft sein. Nein, Jenny Holzers „Truism“, ihre über LED-Display laufenden Sinnsprüche, sind kein aktueller Kommentar zur „MeToo“-Debatte, sondern stammen bereits von 1983 / 84.  Dass die Perspektive von Frauen der Kunst unbedingt gut tut, zeigt die derzeitige Schau in der Münchner Sammlung Goetz – lauter inhaltlich starke und ästhetisch beeindruckende Werke sind im Ausstellungs-Schrein von Herzog/de Meuron zu sehen. Sie bilden den Auftakt der dreiteiligen Schau „Generations – Künstlerinnen im Dialog“, mit der Ingvild Goetz und ihr Team das 25-jährige Bestehen ihrer Kollektion feiern und insgesamt rund 200 Werke von über 40 Künstlerinnen aus drei Generationen zeigen. 2014 schenkte sie dem Freistaat Bayern 375 Werke der Medienkunst sowie das Sammlungsgebäude. 

Auftakt mit vielfältiger Textilkunst

In „Generations“ tritt man zum Auftakt vor die Textil-Bilder und ein Keramik-Environment („Lobby“) von Rosemarie Trockel, die in „weiblicher“ Technik die Minimal Art persiflieren. Und man bestaunt Andrea Zittels multifunktionale Heimtextilien („A to Z Personal Panels“). Bei ihr wird – mit konstruktivistischen Mustern – die Schürze zur Tischdecke; der Teppich bringt den Raum in die Fläche und wird zum Bett. Beide Künstlerinnen zeichnen sich durch pointierten Pragmatismus aus. Auch sonst wird das Alltägliche kunstwürdig: Neben Jessica Stockholders quietschbunten, bewusst trashigen Assemblagen wirken die großformatigen Wand-Gobelins von Pae White wiederum umso wertvoller. Sie zeigen Trivial-Stillleben mit Zeitungsfragmenten, ausgestreuten Süßigkeiten und Bling-Bling-Schmuck, aber das in einer derart aufwändigen, handwerklich bestechenden Webtechnik, dass man sich nicht sattsehen kann.

Multi-Phalli und Polka Dots

Den weiblichen Körper zum Sujet macht Pipilotti Rist, unter anderem in „Blutraum“ von 1992 / 98, einer ihrer tabubefreiten, poetisch-sinnlichen Video-Installationen. Und auch Yayoi Kusama arbeitet sich, allerdings plastisch, am Körperlich-Konkreten ab: Ihre Multi-Phalli und obsessiven Polka-Dots dürfen sich in einem eigenen Raum ausbreiten, flankiert von surreal-fantastischen Collagen voller schillernder Meereswesen. Ornamental und tiefgründig zugleich wirken die kleinformatigen Papierarbeiten von Rebecca Morris, ebenso vielschichtig – allerdings wesentlich bunter und dynamischer – weitet sich der Bildraum in Katharina Grosses großformatigen Sprühfarben-Tableaus. Fast schon kalligrafisch wohlgesetzt und dabei noch plakativer ist die Abstraktion bei Carla Accardi (1924–2014), einer der wenigen großen Malerinnen der italienischen Avantgarde. Und eine echte Wiederentdeckung ist die einstige Nonne Sister Mary Corita Kent: Sie verwandelte christliche Botschaften und Slogans der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in poppig schillernde, schlafwandlerisch stilsicher komponierte Schriftbilder. Jüngere Künstlerinnen nehmen den Faden auf und weben  formal und inhaltlich neue Aspekte mit ein: Paulina Olowska (* 1976) etwa deckt in ihren realistischen Gemälden die Widersprüche der Konsumkultur auf (Abb.) und bei Lucy Dodd (*1981) wird die Bildgestaltung im Wortsinn zum organischen Prozess: Sie trägt neben Farben auch Pilze und Flechten auf ihre Leinwände auf und lässt sie für sich arbeiten („Butterfly“, Abb.).

Sammeln mit Künstlerinnen-Quote?

Das Ergebnis sind gegenstandslose Bildwelten, deren kosmische Tiefe dennoch beseelt wirkt.  Zwar haben sich Künstlerinnen im 20. Jahrhundert mühsam aus der Rolle des Modells in die Rolle der Schöpferin gekämpft, doch wird auch die Gegenwartskunst noch von männlichen Kollegen dominiert. Bei Ingvild Goetz stammen mehr als 30 Prozent ihrer Sammlungsbestände von Künstlerinnen, eine vergleichsweise hohe Quote. Das solle aber kein politisches „Statement“ sein, sie habe einfach nur gesammelt, was sie thematisch interessierte, erklärt Ingvild Goetz.

Service

Ausstellngstermine

Sammlung Goetz

„Generations –
Künstlerinnen im Dialog. Part 1“, Sammlung Goetz, bis 13. Juli,
Part 2: Haus der Kunst, 29. Juni bis 27. Januar
Part 3: Sammlung Goetz, 13. September bis 15. Dezember

DIESER BEITRAG ERSCHIEN IN

Kunst und Auktionen Nr. 10 / 2018

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