Ausstellungen

Stoff für Geschichten: Die Gengenbacher Passionsteppiche

Das Museum Haus Löwenberg im Schwarzwald zeigt textile Meisterwerke der Renaissance aus ganz Europa

Von Simone Sondermann
23.03.2018

Dass ein Fachwerkstädtchen im Kinzigtal im mittleren Schwarzwald etwas mit dem Metropolitan Museum in New York gemeinsam hat, ist überraschend. Doch hier wie dort finden sich Teile eines Tapisserie-Zyklus mit Szenen der Passionsgeschichte, der zwischen 1590 und 1620 in Straßburg gefertigt wurde. Das Met besitzt sechs dieser seltenen und empfindlichen Stücke, das Museum Haus Löwenberg in Gengenbach fünf. Letztere stammen aus der ehemaligen Benediktinerabtei des Ortes. Wie die frühneuzeitlichen Meisterwerke in das Gengenbacher Kloster kamen, ist noch nicht bekannt. Ein Kunsthistorikerteam erforscht jedoch seit ein paar Jahren den Hintergrund der Textilkunstwerke und hat dabei schon weitere Tapisserien des Zyklus in Frankreich und Belgien entdeckt.

Eine Ausstellung im Haus Löwenberg bringt nun alle in Europa befindlichen Werke zusammen – für ein kleines, vor allem durch privates Engagement am Leben gehaltenes Museum eine Mammutaufgabe. Die Tapisserien entstanden für protestantische Auftraggeber und nahmen Stiche von Albrecht Dürer, Martin Schongauer und Johannes Wechtlin zur Vorlage. So bediente sich etwa der Bildwirker der Gefangennahme eindeutig bei Wechtlins Holzschnitt von 1508, andere nehmen mal frei, mal genau Bezug auf Dürers populären Zyklus »Die kleine Passion«. In Gengenbach sind auch die Motivvorlagen zu sehen und erlauben so ein tieferes Verständnis der Entstehungsgeschichte. Ebenso prachtvoll wie aufschlussreich ist außerdem ein großer Tischteppich aus Straßburg von 1565, eine Leihgabe aus dem dortigen Museum Œuvre Notre-Dame, der die Flucht nach Ägypten und die Anbetung der Könige darstellt und als Vorläufer des späteren Passionszyklus anzusehen ist.
Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Werkserie von Arnulf Rainer, der Fotos der New Yorker und Gengenbacher Tapisserien vor einigen Jahren zum Objekt seiner Übermalungen machte, sowie durch künstlerische Reflexionen zur Spottkultur der Gegenwart – der Blick im Kinzigtal richtet sich weit in die Welt.

Service

Ausstellung

Passion in Seide und Gold. Die Gengenbacher Passionsteppiche
Museum Haus Löwenberg, Gengenbach
bis 17. Juni

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