Ausstellungen

Verborgene Schätze der Lagunenstadt

Die Galleria Franchetti alla Ca’ d’Oro präsentiert in Venedig kostbare Orientteppiche

Von Christian Erber
25.08.2017

Die Fahrt mit einem Vaporetto der Linie 1 – vom Bahnhof zum Markusplatz oder entgegengesetzt – ist immer ein Ereignis: egal zu welcher Tageszeit, egal bei welchem Wetter. Doch in diesem Sommer haben die Palastfassaden entlang des Canal Grande etwas Neues zu bieten: Über den Brüstungen der Ca’ d’Oro hängen Teppiche – sie schmücken die Schauseite des im 15. Jahrhundert von Mario Contarini zur privaten Nutzung erbauten Gebäudes. Man denkt sofort an den St.-Ursula-Zyklus von Vittore Carpaccio, der in der nahe gelegenen Galleria dell’Accademia die Besucher in das Venedig der Renaissance entführt.

Sechs Gemälde mit Teppichen dokumentieren die Bedeutung dieser Objekte

Mit dieser auffälligen Gestaltung lädt die Galleria Franchetti alla Ca’ d’Oro die Öffentlichkeit zum Besuch der im zweiten Obergeschoss aufgebauten Ausstellung „Serenissime Trame – Tappeti dalla collezione Zaleski e dipinti del Rinascimento“ ein. Sechs Gemälde mit Teppichen, entstanden um 1500 in Italien, dokumentieren die damalige Bedeutung dieser Objekte, die über intensive Handelsbeziehungen aus dem Orient in den Westen gekommen waren. Zu ihnen gesellen sich 22 klassische Teppiche aus der Sammlung Romain Zaleski, die mehr oder weniger derselben Zeit zuzuordnen sind. Die mittlerweile mehr als 1300 Objekte umfassende Kollektion des Mailänder Industriellen ist gegenwärtig die sicherlich umfangreichste und qualitätvollste Privatsammlung ihrer Art – sie soll den Grundstock für das künftige Teppichmuseum der Tassara-Stiftung bilden.

Die Museumskuratoren Claudia Cremonini und Giovanni Valagussa sowie der Galerist Moshe Tabibnia haben für die Schau bedeutende, zum Teil aus der Literatur bestens bekannte Teppiche ausgewählt. Dazu gehören der 1978 von Şerare Yetkin in Early Caucasian Carpets in Turkey veröffentlichte Drachenteppich aus der früheren Wher-Collection, der Lahore-Blütenteppich aus dem Besitz von Hagop Kevorkian und der „Damaszener“-Teppich, einst im Besitz von Charles Grant Ellis, der über die Wher-Collection und Moshe Tabibnia in die Zaleski-Sammlung gelangte. Geradezu faszinierend ist der berühmte Karapinar-Teppich, der am 21. Mai 2003 in Ashville, North Carolina, als „Türkischer Teppich, 18. Jahrhundert“ zu einem Schätzpreis von 5000 Dollar zum Aufruf kam. „I had seen a great thing in an unexpected place. And I had still the money“, berichtete mir ein damaliger Teilnehmer der Auktion, der wie so manch anderer die stille Hoffnung hegte, niemand sonst habe dieses Juwel entdeckt. Der Zuschlag für den um 1500 (radiokarbondatiert) vermutlich in Zentralanatolien geknüpften Teppich erfolgte bei 270.000 Dollar. 

Neben einem anatolischen Kelim ist ein Fresko mit vergleichbarem Teppich aufgestellt

Auf einem Podest zu bewundern ist ein Holbein-Teppich (Abb.), der am 29. November 2002 auf einer Auktion in Venedig als antiker anatolischer Teppich („filthy dirty but in generally good condition, with original sides and superb colours“) bei 5000 Euro aufgerufen und in einer wahren Bieterschlacht auf 564.000 Euro gesteigert wurde. Daneben ist ein auf 1485 datiertes Fresko aufgestellt, bei dem die Madonna das Christuskind auf eine Brüstung setzt, die mit dem Medaillon eines vergleichbaren Teppichs geschmückt ist (Abb.). Das (radiokarbondatiert) zwischen 1300 und 1450 entstandene Stück, das über lange Zeit in der Abbazia di San Gregorio in Venedig verborgen lag, besitzt – was der Verfasser des Katalogbeitrags offenbar nicht weiß – ein direktes Gegenstück im „Groß gemusterten Holbein-Teppich“ des Museums für Islamische Kunst in Berlin. 

 

Ein kleinteiliger, sorgfältig restaurierter Holbein-Teppich aus der Sammlung Franchetti, in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu datieren, ergänzt die Schau. 1894 hatte Baron Giorgio Franchetti das in die Jahre gekommene Ca’ d’Oro in der Absicht erworben, seiner umfangreichen Kollektion mit Gemälden, Skulpturen, Teppichen etc. eine Heimstatt zu geben. Mit dem Abbruch von Trennwänden in der Eingangsebene schuf er knapp über der Wasseroberfläche einen großzügigen, den Innenhof integrierenden Raum, dessen Fußbodenmosaik zu Stein gewordene Teppichornamente zeigt. 1916 übereignete Franchetti seine Kunstsammlungen zusammen mit dem Palast dem Italienischen Staat.

„Eine Liebesgeschichte: Venedig und der Orientteppich“ hat Giovanni Curatola seinen Aufsatz im Ausstellungskatalog überschrieben – die Schau könnte dies nicht besser zeigen.

Service

Ausstellung

„Serenissime Trame – Tappeti dalla collezione Zaleski e dipinti del Rinascimento“,
Galleria Franchetti alla Ca’ d’Oro, Venedig
bis. 10. September
Katalog 25 €

Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN Nr. 13/2017

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