Ausstellungen

Treffpunkt Toilette: 100 Jahre Marcel Duchamp

Mit einer kuriosen Aktion – und einer Stunde freiem Eintritt – feiern Museen weltweit das Jubiläum von Marcel Duchamps „Fountain“ von 1917, einem der einflussreichsten Kunstwerke des Jahrhunderts

Von Verena Emke
06.04.2017

Es ist kein Zufall, wenn ausgewählte Bücher zu Marcel Duchamp im Hamburger Bahnhof, dem Museum für zeitgenössische Kunst der Nationalgalerie in Berlin, am kommenden Sonntag nicht nur in der Museumsbuchhandlung, sondern auch zwischen den Klos feilgeboten werden. Am 9. April öffnen zahlreiche Museen kostenfrei zwischen 15 und 16 Uhr ihre Türen für all jene, die dem Personal das Passwort „R. Mutt“ oder „Richard Mutt“ zuraunen. Mit diesem Pseudonym reichte Marcel Duchamp (1887-1968) genau vor hundert Jahren sein mit „Fountain“ betiteltes Readymade als Exponat für die erste Ausstellung der New Yorker „Society of Independent Artists“ ein. Obschon die Jury das Motto „No Jury – No Prizes – No Commercial Tricks” ausgerufen hatte, lehnte man das Pissoir als Ausstellungsstück ab. Woraufhin Duchamp und andere Mitglieder des Auswahlkomitees die Organisation aus Protest verließen. Im Avantgarde Magazin „The Blind Man“ verteidigten Duchamps Freundinnen Beatrice Wood und Louise Norton unter dem Titel „Buddha of the Bathroom“ im Mai 1917 das Urinal: Als Skulptur sei es „nicht unmoralischer als eine Badewanne“. Zudem seien „Sanitäranlagen und Brücken die einzigen Kunstwerke, die Amerika je hervorgebracht hat.“

Das Original ist längst verloren

Das Original von 1917 ist längst verloren, in Museen sind weltweit Repliken ausgestellt, die seit 1950 entstanden. Laut einer Umfrage der BBC unter 500 internationalen Kunstexperten gilt das Pissoir indes als einflussreichstes Kunstwerk des 20. Jahrhunderts, auch wenn es von Duchamp selbst nie als Kunst bezeichnet wurde.  Der wiederum hörte Zeit seines Lebens nicht auf, die gleichberechtigte Bedeutung des Betrachters beim kreativen Akt hervorzuheben. Nicht zuletzt deswegen sind Besucher aufgefordert, unter #Fountain100 spontane Hommagen, Performances und Lesungen  in den beteiligten Museen zu dokumentieren. Gerne auch aus den Klos heraus, wofür das Städel und das Philadelphia Museum für die Zeit von 15 bis 16 Uhr eigens Unisex-Toiletten einrichten. Initiiert hat das ungewöhnliche Projekt der Duchamp-Experte Thomas Girst, mit Unterstützung der Association Marcel Duchamp.

 Die Liste der teilnehmenden Museen ist international: 

China: Ullens Center for Contemporary Art, Beijing
Frankreich: Centre Pompidou, Paris
Deutschland: Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Hamburger Bahnhof, Berlin; Städel Museum, Frankfurt; Lenbachhaus, München; Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart; Staatliches Museum Schwerin, Schwerin; Museum Ludwig, Köln
Israel: Israel Museum, Jerusalem
Italien: Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, Rom
Japan: National Museum of Modern Art, Kyoto
Niederlande: Stedelijk Museum, Amsterdam
Schweden: Moderna Museet, Stockholm
Schweiz: Kunsthalle Basel, Basel
England: Serpentine Galleries, London; Tate Modern, London
USA: Philadelphia Museum of Art, Philadelphia 

Abbildung oben

Abbildung

Alfred Stieglitz: R. Mutt Fountain, 1917

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