Antike Kunst

Ein überschatteter Markt

Ein großer Betrugsfall erschüttert einmal mehr den Markt für antike Kunst, wieder einmal geht es um die millionenschweren Werke des alten Ägypten. Dabei bietet der Markt durchaus Besonderes zu bezahlbaren Preisen, vor allem Objekte aus Glas oder Keramik

Von Jan Kohlhaas
30.03.2023
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 3/23

Neben ägyptischen Kunstwerken sind es vor allem römische Marmorskulpturen, die hohe Preise erzielen. Das absolute Highlight des vergangenen Jahres war die 97 Zentimeter große Porträtbüste des Kaisers Antoninus Pius, die am 6. Dezember bei Sotheby’s in London zum Aufruf kam. Sie stammte aus der Berkeley Collection in Spetchley Park, Worcestershire, und war von Robert Martin Berkeley und Lady Mary Catherine Berkeley während ihrer Flitterwochen in Italien im Jahr 1851 erworben worden. Die Büste wurde kurz nach der Thronbesteigung des Antoninus im Jahr 138 aus einem einzigen Block feinkörnigen weißen Marmors gemeißelt und zeigt den Kaiser als reifen Mann mit ausgeprägten Gesichtszügen, einem ordentlich gestutzten Vollbart und dichtem, lockigem Haar. Die bemerkenswert gut erhaltene Plastik gehört zu den besten Porträts des Kaisers, die aus der Antike überliefert sind. So verwundert es nicht, dass die moderate Taxe von 600.000 Pfund zu einem Bietgefecht führte, das erst bei 6,5 Millionen Pfund sein Ende fand. Den Zuschlag bekam das Getty Museum, das ankündigte, die Büste zusammen mit anderen Porträts aus der Antoninischen Zeit in der Getty Villa in Los Angeles auszustellen, sobald die Ausfuhrgenehmigung erteilt ist.

Anhand eines Marmorkopfs bei Christie’s konnte man verfolgen, dass ein zu perfekter Zustand nicht unbedingt verkaufsfördernd ist. Denn für den makellosen, strahlend weißen Kopf des Hermes aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts rührte sich am 7. Juli in London zum stolzen Schätzpreis von 3 Millionen Pfund trotz bester Provenienz kein Finger. Dann doch lieber nicht ganz so überrestaurierte und deutlich günstigere Stücke mit Ausstrahlung, von denen mehrere Beispiele auf deutschen Auktionen zu finden waren. Zum Beispiel der Kopf eines Priesters aus der Mitte des 1. Jahrhunderts mit gebrochenem Kinn und bestoßener Nase, der im Juli bei Gorny & Mosch 32.000 Euro brachte (Taxe 40.000 Euro). 

Porträtbüste Kaisers Antoninus Pius Sotheby's
Highlight des vergangenen Jahres: die um das Jahr 140 entstandene Porträtbüste des Kaisers Antoninus Pius, die Anfang Dezember bei Sotheby’s in London 6,5 Millionen Pfund einspielte. © Sotheby's, London

Oder das Porträt eines bärtigen Römers mit einem fast vertikalen Bruch auf Breite der Schläfe, das im Dezember an gleicher Stelle 19.000 Euro einspielte (Taxe 20.000 Euro). Oder der Kopf eines Jungen aus dem 1. Jahrhundert mit deutlich erkennbaren Restaurierungen an Nase und Ohren, der im Dezember bei Hampel in München von 20.000 auf 30.000 Euro gesteigert wurde. Und nicht zuletzt das nur gut acht Zentimeter große, reizende Relieffragment mit einem Jünglings- oder Frauenkopf aus dem 1. / 2. Jahrhundert, das bei Gerhard Hirsch Nachf. in München im September von 2500 auf 4250 Euro gehoben wurde.

Antike Objekte aus Glas oder Keramik sind zwar deutlich empfindlicher als Marmor, haben sich aber dennoch in großer Zahl erhalten, da sie oft aus Grabkontexten stammen. Die meisten griechischen Vasen sind bereits zu vier- oder fünfstelligen Preisen zu bekommen – Ausnahmen bestätigen auch hier wie immer die Regel. So kletterte eine zwischen 520 und 510 v. Chr. gefertigte attische Hydria im Juli bei Christie’s in London von 100.000 auf 720.000 Pfund. Die Vase gehört aufgrund ihrer sowohl schwarz- wie auch rotfigurigen Bemalung zu den sogenannten bilinguen Vasen, die in der Übergangszeit von der schwarz- zur rotfigurigen Vasenmalerei im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. entstanden. Ihre ausgezeichnete Bemalung wird dem Antimenesmaler und dem Maler Psiax zugeschrieben. Laut Christie’s ist nur eine weitere bilingue Hydria bekannt, die sich heute in den Antikensammlungen in München befindet.

römische Schale Bonhams
Bonhams erzielte für die römische Schale aus mehrfarbigem Glas (frühes 1. Jh.) im Dezember 8000 Pfund. © Bonhams, London

Um einiges erschwinglicher war ein rund hundert Jahre später entstandener figürlicher Kothon, der im Dezember bei Gorny & Mosch zum Aufruf kam. Der rotfigurig bemalte Becher, dessen unterer Teil als Kopf einer jungen Äthiopierin gestaltet ist, verbesserte sich von 15.000 auf 19.000 Euro.

Gefäße aus Glas konnten sich nur wohlhabende Römer leisten. Während einfache kleine Fläschchen aus grünem Glas heute bereits zu dreistelligen Preisen zu bekommen sind, erzielen die aufwendigeren Stücke in selteneren Farben deutlich höhere Preise. Einen guten Überblick über das breite Spektrum an römischen Gläsern lieferte die Sammlung des Niederländers Nico Bijnsdorp, die im Dezember bei Bonhams in London versteigert wurde. Eine hexagonale Flasche aus königsblauem Glas brachte 5500 Pfund (Taxe 7000 Pfund), eine kleine, mehrfarbig gestreifte Schale realisierte mit 8000 Pfund die Schätzung, eine smaragdgrüne Pyxis verbesserte sich von 2500 auf 9800 Pfund und eine hellblaue Urne kletterte von 8000 auf 17.000 Pfund. Wer in das faszinierende Sammelgebiet einsteigen möchte oder im Dezember nicht zum Zug kam, kann sich auf den kommenden Juli freuen, wenn der zweite Teil der umfangreichen Sammlung unter den Hammer kommen soll.

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