Der Trend auf dem Kunstmarkt für Möbel hält an – beste Provenienz, Noblesse und atemberaubende Handwerkskunst bestimmen die obere Preiskategorie
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23.05.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 8/22
Der Markt hat seine Trends, aber er hat auch seine Konstanten. Die Werke der großen Pariser Ebenisten des 18. Jahrhunderts haben unter den potenten Sammlern nichts an Strahlkraft und Prestige verloren. Die meisten Möbel aus der Hochburg des Luxus bewegen sich im hohen fünfstelligen und niedrigen sechsstelligen Bereich. Ein Beispiel dafür ist eine mit schweren Bronzen dekorierte Kommode mit Lackfronten, die aus China importiert wurden. Das hochkarätige Möbel aus der Werkstatt Mathieu Criaerds, eines der prominentesten Kunsttischler um 1730/50, kletterte im Dezember bei Artcurial in Paris von 100.000 auf 150.000 Euro. Ein frühklassizistisches Zylinderbureau ohne Marketerien, ein eher schlichtes Möbel des mit dem royalen Titel „Hofmöbelkünstler“ versehenen Jean-François Oeben von circa 1760 machte bei Christie’s Paris im November einen Sprung von 30.000 auf 65.000 Euro. Bei Neumeister in München stieg am 30. März eine mit reichlich Bronzezier und aufwendig parkettierten Feldern versehene Kommode von Roger Vandercruse Lacroix (um 1770) trotz fehlender Marmorplatte von 10.000 auf 42.000 Euro. Noch dazu stimmte die Provenienz – aus dem Hause Württemberg.
Dass ein einzelner Armlehnstuhl von George Jacob bei Artcurial im Juli rund 100.000 Euro einspielte, belegt wieder einmal, wie preisbildend die Historie eines Möbels sein kann. Das Stück gehörte zu einem Ensemble, das der Comte d’Artois, Bruder des französischen Königs, um 1778/79 für Schloss Bagatelle bestellt hatte. Erst im letzten Jahr versteigerte dasselbe Haus einen Satz Sitzmöbel mit gleicher Herkunft für 900.000 Euro. Spektakuläre Stücke – egal welcher Epoche – erzielen spektakuläre Preise. Das hohe Niveau des Pariser Bronziers François Rémond und geschmackliche Brillanz vereint ein frühklassizistischer Gueridon mit geflügelten Chimären auf dem Dreipass-Fuß, den Christie’s New York Ende November für 190.000 Dollar weiterreichte.
Aber neben den Prominenz-Zertifikaten geht es in diesem Markt auch immer noch um Attraktivität und Eleganz. Das zeigen Preise wie 75.000 Euro für ein Paar Bergeren von 1750 mit hervorragenden Rokoko-Schnitzereien in den Zargen und Lehnen (Sotheby’s, Paris, 17. November). Das spiegelt bei Sotheby’s New York im April 2021 der Preis von 20.000 Dollar für eine reizende, leicht gebauchte Rokokokommode aus Genua, deren Front von einer großen, furnierten Rosette überzogen ist, oder ein anonymes schwarz poliertes, dezent mit Bronzen akzentuiertes Bureau Plat von circa 1750, das im November – wiederum in der Pariser Filiale – für 18.000 Euro verkauft wurde, während ein Bureau Plat aus der Werkstatt der Boulle-Söhne mit üppigen Bronzemaskarons der selben Zeit bei Christie’s New York im Oktober mit 260.000 Dollar mehr als das Zehnfache erreichte.
Die internationalen, aber auch viele deutsche Auktionshäuser haben ihr Möbelangebot in den letzten Jahren stark konzentriert und auf Qualität ausgerichtet. Dass nur wenige hochkarätige Empire- und Biedermeiermöbel die Auktionen passierten, hängt wohl eher mit einer Zurückhaltung auf Verkäuferseite zusammen. Auktionshäuser taxieren diese Epoche sehr vorsichtig. Mit einem Zuschlag von 22.000 Dollar für einen runden Beistelltisch mit geflügelten Chimären als Stützelement, in der renommierten Werkstatt Jacob Frères um 1800 entstanden, lag das Ergebnis bei Christie’s New York im November weit über der Schätzung. Lediglich das Dorotheum in Wien baut bei den Möbeln um 1800 auf eine starke österreichische Tradition. Der Zuschlag von 24.000 Euro Anfang November für ein Paar Biedermeier-Konsolen mit gefassten Genien als Figurenschmuck hat zweifellos mit der Nähe dieses Entwurfs zu dem damals führenden KuK-Möbelhersteller Josef Danhauser zu tun.
In den deutschen Auktionshäusern hat das 18. Jahrhundert momentan einen besseren Stand als die Zeit um 1800. Während im Auktionshaus Ruef in Landshut ein konischer Empire-Sekretär für 6000 und bei Nagel für 8500 Euro versteigert wurden, zeigen kraftvolle, meisterliche Arbeiten des Barock Potenz. Neumeisters Zuschlag von 80.000 Euro – der zehnfachen Taxe – am 31. März für einen Aufsatz-Schreibschrank mit bewegten Bandelwerk-Intarsien auf den Schüben und Wappen auf der Schreibklappe ist dafür ein Beleg. Aber auch die 56.000 Euro, die Metz in Heidelberg im Oktober für einen in seinen Konturen sehr bewegten Mainzer Schrank von 1760 mit freischwingenden Spangen und ornamentalen Einlegearbeiten erzielte, sowie die 58.000 Euro, die im Dezember auf Schloss Ahlden für einen aufwendig gearbeiteten Braunschweiger Dielenschrank von 1720/30 geboten wurden, dessen vielfach abgetreppten Profilleisten um szenisch dekorierte Kassettenfelder für einen Meister seines Fachs sprechen, sind Indizien einer Wertschätzung. Der Blick auf die Auktionsergebnisse lässt nur einen Schluss zu: Sammler wollen glamouröse Stücke und Werke, die dem Begriff Möbelkunst gerecht werden.