Auktionen

Jacobs verkauft jetzt auch Kännchen

Das Johann Jacobs Museum in Zürich versteigert am heutigen Donnerstag einen Teil seiner Sammlung bei Lempertz in Köln. Der Verkauf bleibt nicht ohne Kritik, doch Museumsdirektor Roger M. Buergel hat Argumente parat

Von Tim Ackermann
16.11.2017

Preisfrage: Was hat die vergoldete Augsburger Kranenkanne mit einem Schätzwert von 40.000 bis 60.000 Euro gemeinsam mit dem Gemälde „Im Kaffeehaus“ von Frants Peter Diderik Henningsen, auf 3000 bis 4000 Euro taxiert? Oder auch mit den drei Künstlertassen von illy, an denen ein Preisetikett von nur 80 Euro hängt? Die Antwort: Sämtliche beschriebenen Stücke waren bislang Objekte aus der Sammlung Klaus J. Jacobs, und alle werden sie am heutigen Donnerstag im Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert. Dort freut man sich auf einen sogenannten „Single Owner Sale“, bei dem eine einzelnen klingende Provenienz auch weniger bedeutende Stück etwas heller strahlen lässt, als in einer kunterbunten Mischauktion.

Zumal die betreffende Sammlung institutionelle Weihe erhalten hat: Der 2008 verstorbene Bremer Kaffeemagnat Klaus J. Jacobs ließ für seine Kollektion rund um sein Lieblingsheißgetränk ab den Achtzigerjahren die passenden Kunstwerke, Silver- und Porzellanobjekte zusammensuchen, und seit Jahrzehnten war diese Spezialsammlung im eigens dafür eingerichteten Johann Jacobs Museum in Zürich zu sehen. Dessen Direktor Roger M. Buergel hat nun rund 250 Objekte zur Versteigerung bei Lempertz eingeliefert.

Seit 2013 leitet Buergel die Geschicke im Johann Jacobs Museum. Er hat dem Haus eine radikale programmatische Neuausrichtung verordnet: Nicht allein die Kulturgeschichte des Kaffees soll im Fokus stehen, sondern stattdessen die Geschichte der globalen Handelswege, erzählt am Beispiel unterschiedlichster Rohstoffe wie Kaffee und Kakao, aber auch Erdöl, Baumwolle und Diamanten. Vielfältige Kulturen sollen dabei berücksichtigt werden, uns so trennt sich Buergel von Sammlungsobjekten, die ihm nicht mehr recht ins Konzept passen.

Dazu gehört europäisches Kunsthandwerk – etwa eine Türkische Kaffeegruppe aus Nymphenburg-Porzellan, taxiert auf 4000 bis 6000 Euro. Oder auch europäische Kunst: Gemälde wie „Im Café Bauer, Berlin“ (1888/1889) von Lesser Ury, geschätzt auf 140.000 bis 160.000 Euro, oder Georges Braques „Le moulin à café“ (1942) , für das 400.000 bis 600.000 Euro erwartet werden. (Beide Bilder zählen zu den Spitzenstücken der Sammlung und werden bei Lempertz erst am 1. Dezember im Rahmen der Auktion Moderne Kunst aufgerufen.)

Der Direktor baut eine neue Sammlung auf

Behalten wird Buergel im Museum dagegen die umfangreiche Spezialbibliothek zum Thema Kaffee mit rund 5000 Büchern und Schriften sowie die Objekte der nicht-europäischen Kulturgeschichte. Mit dem Erlös der Versteigerung – erwarten darf man einen Gesamtbetrag zwischen einer und 1,5 Millionen Euro – will er neue Werke ankaufen, etwa der zeitgenössischen Kunst aus Afrika. „Wir bauen schon seit einigen Jahren eine neue Sammlung auf, von der wir ab Mitte April Teile im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigen“, erklärt der Museumsdirektor.

Allerdings gibt es auch Kritik an Buergels Vorgehen: Holger Hasenkamp, Jurist aus Bremen, stellte als Gründungsdirektor des Johann Jacobs Museums zwischen 1980 und 1990 wesentliche Teile der Sammlung zusammen. Der 82-Jährige erinnert sich noch heute, wie er einst die Augsburger Kranenkanne beim Münchner Kunsthändler Helmut Seling kaufte. Über die Zersplitterung der Sammlung, die er als sein Lebenswerk ansieht, ist Hasenkamp verständlicherweise schockiert.

Tatsächlich ist eine derartige Haushaltsauflösung, wie sie jetzt in Zürich vonstattengeht, für ein Museum höchst ungewöhnlich. Denn zu den allgemein formulierten Aufträgen der Museen gehört auch das Bewahren einer Sammlung über die Zeiten hinweg. Dass sich nun im Zürcher Fall kein massiver Widerstand regt, hat auch damit zu tun, dass das Johann Jacobs Museum als Teil der Jacobs Foundation (ebenfalls mit Sitz in Zürich) kein öffentliches sondern ein privates Museum ist – die Spiegelregeln können entsprechend weniger streng ausgelegt, gegebenenfalls auch neu geschrieben werden.

Und doch darf die Überlegung erlaubt sein, ob die Neuausrichtung des Museums nicht auch ohne die Versteigerung gelingen müsste. Die Jacobs Foundation, die vor allem Projekte im Bereich der Kinder- und Jugendentwicklung fördert, verfügt immerhin über ein Jahresbudget von rund 37 Millionen Franken. Warum sieht die Stiftung die Notwendigkeit Teile ihrer Sammlung zu veräußern? Hätte man nicht aktuell unpopuläre Sammlungsteile in einem Depot einlagern können? Bei solchen Fragen verweist die Jacobs Foundation auf Buergel, der durchaus ein paar Antworten parat hat.

Klare Linie hat auch Klaus Jacobs vertreten

„Die Neuausrichtung korreliert nicht unmittelbar mit dem Verkauf von Teilen der Sammlung“, erklärt der Museumsdirektor. Die Idee zur Veräußerung habe die Familie Jacobs gehabt, die eher „unternehmerisch“ als „besitzstandswahrend“ denke. „Wenn man zur Neuausrichtung steht, so die Meinung, dann stößt man die Dinge ab, die für uns nicht unbedingt vonnöten sind“, so Buergel. Diese klare Linie habe auch Klaus J. Jacobs immer vertreten.

Einerseits kann man es selbstverständlich bedauern, dass eine so singuläre, originelle Kollektion wie die Sammlung Klaus J. Jacobs nun aufgelöst und über den Kunstmarkt verstreut wird. Andererseits kann man es nachvollziehen, wenn ein Direktor sein Museum über breitere und dynamischere Ausstellungsansätze für das Publikum dauerhaft attraktiv halten will. Und deshalb ganz unsentimental auch Radikalmaßnahmen vollzieht. Im Zürcher Fall ist es ihm möglich, weil die Entscheidung darüber vor allem eines ist: Privatsache.

Und ein wenig muss man die Nachricht des Verkaufs durch die Tatsache relativieren, dass doch eine Reihe von Objekten des europäischen Kunsthandwerks im Johann Jacobs Museum bleibt. Vorwiegend handelt es sich dabei um Stücke, die kulturelle Hybride darstellen – wie etwa Sèvres-Porzellane, die mit indischen Textilmustern verziert sind. Diese Objekte hat Buergel in einem Fries arrangiert, der die Evolution des Museums verbildlichen soll. In der Haupthalle hängen die Kannen, Tassen, Teller und Dekorationsfiguren über den Türstürzen von der Wand. Das ist zwar eine ziemlich unorthodoxe Präsentation von Kulturgeschichte. Aber das Vermächtnis von Klaus J. Jacobs ist eben nicht ganz verschwunden.

Service

Kaffeekanne mit frühen Chinoiserien, Meißen, Dekor um 1724/1725, Johann Gregorius Hoeroldt zuzuschreiben (Foto: Lempertz, Köln)

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