Auktionen

Showroom an der Strudlhofstiege

Das Dorotheum versteigert am 10. Mai ein umfassendes Konvolut aus der Sammlung des Kunsthändlers Reinhold Hofstätter

Von Nina Schedlmayer
08.05.2017

Um den Wiener Kunsthändler Reinhold Hofstätter ranken sich nicht wenige Legenden: Ein aufbrausendes Temperament soll er gehabt haben, in seinem Schloss wollte er einen echten Bären halten, und Besucher begrüßte er gern mit seinem Papagei auf der Schulter. 

Schon die Anfänge des 1927 geborenen Verkaufsgenies stellen sich außergewöhnlich dar: So soll ihm sein Großvater einst eine Taschenuhr geschenkt haben, die er bald verkaufte – um mit dem Geld eine Vergolderlehre starten zu können. Unbeleckt von universitärer Bildung eignete er sich später ein immenses Wissen über Kunst und Antiquitäten an. 1953 eröffnete er in der Wiener Dorotheergasse sein erstes Geschäft. Das entwickelte sich so erfreulich, dass gleich ums Eck, in der Bräunerstraße, ein zweites entstand. „Mit großem Fachwissen blieb der 2013 verstorbene Kunstenthusiast immer auch Generalist“, schrieb der Möbelexperte Alexander Doczy über ihn. „Mich fasziniert die Bandbreite seines Spektrums. Schier unglaublich, was er in seinem langen Sammlerleben erworben, womit er gehandelt und gelebt hat.“ Doczy ist für die Versteigerung von Werken aus der Sammlung Hofstätter am 10. Mai im Wiener Dorotheum zuständig. „Hofstätter hat im internationalen Kunsthandel mitgemischt, war über die Grenzen des Landes hinaus top“, ergänzte er gegenüber KUNST UND AUKTIONEN.

Seit den Sechzigerjahren hatte Hofstätter mit dem Kunsthandel ein Vermögen aufgebaut, so viel verdient, dass er sich glamouröse Domizile leisten konnte: Im Schloss Schwallenbach an der Donau (Wachau), das er angeblich gern mit dem Motorboot ansteuerte, sammelten sich ebenso Kunstgegenstände wie in seinem weitläufigen Domizil nahe der Strudlhofstiege in Wien Alsergrund. „Eigentlich war das seine Privatadresse, diente aber auch als Showroom für Dinge, die er kaufte und auch wieder verkaufte“, so Doczy. „Bot man ihm einen guten Preis, so trennte er sich auch schon mal von einem interessanten Stück – er war eben ein Vollbluthändler.“

Nach Hofstätters Tod begann sein Sohn Anton, Objekte aus der Sammlung versteigern zu lassen. 2014 erzielten Werke aus dem Konvolut bei Lempertz rund 2,2 Millionen Euro; damit finanzierte Hofstätter junior vor wenigen Jahren eine Galerie, die Alt und Neu auf spannende Weise zusammenbrachte: Gegenwartskünstler wurden eingeladen, sich mit dem Hofstätter’schen Sammelsurium zu befassen, was interessante Resultate zeitigte, allerdings leider bald wieder aufgegeben wurde.

Auch Schloss Schwallenbach wurde ausgeräumt

Die Bestände der Sammlung erstrecken sich über mehrere Jahrzehnte, vom Mittelalter bis zur Art déco. Es findet sich darin aber auch vieles von geringem monetären Wert. „Nicht jede Skulptur ist ein Riemenschneider oder ein Pacher“, meinte Hofstätter selbst einmal und erzählte: „Zu meinem Vater kamen Händler mit großen Lastwägen, die ihn vor die Wahl stellten: Entweder solle er alles nehmen – oder nichts. Dann kaufte er eben oft den gesamten Inhalt und hatte dementsprechend viel Beifangware.“ Einiges aus diesem „Beifang“ wurde bereits im Vorjahr durch das Dorotheum versteigert: Im November kamen Möbel und Antiquitäten – darunter sogar Grabkreuze und Metalltüren! – aus Hofstätters Depot zum Aufruf, da starteten die Rufpreise bereits bei 25 Euro. Auch Schloss Schwallenbach wurde ausgeräumt: Über 400 Objekte aus dieser Residenz bot das Dorotheum bereits vorigen September an. Am teuersten war dabei ein Gemälde von Ferdinand Georg Waldmüller („Der Abschied“), das 164.500 Euro erzielte.

Nun wird – in zwei Tranchen – versteigert, was Hofstätter in seiner Wohnung am Alsergrund beherbergte. Fotografien im Auktionskatalog zeigen, in welch prunkvollen Räumlichkeiten der Kunsthändler residierte: Säle voller Antiquitäten und Skulpturen, die Wände, bedeckt mit großformatigen Tapisserien, mittelalterlichen Tafelbildern und altmeisterlichen Gemälden. Auffällig ist, dass kaum Modernes oder Zeitgemäßes darauf zu sehen ist. Die Kunstleidenschaft des Reinhold Hofstätter scheint, das lässt sich auch aus dem Angebot schließen, nach dem Jugendstil abrupt geendet zu haben. 

Insgesamt sind es rund 600 Kunst- und Dekorationsgegenstände, die dieser Tage – und rund ein halbes Jahr später, im September – auktioniert werden; der erste, 238 Nummern umfassende Teil fokussiert sich mehr auf Renaissance und Gotik; die zweite Tranche wird dann einen Schwerpunkt auf das 19. Jahrhundert und den Jugendstil legen.

Waldmüllers Gemälde wird eines der Highlights sein

Auch in der kommenden Auktion wird Waldmüller, Wiener Lokalgröße des 19. Jahrhunderts, eines der Highlights sein: Sein Gemälde „Kinder am Morgen, Bilder betrachtend“ (Abb., Taxe 400.000 Euro) datiert ins Jahr 1853; typisch für Waldmüller ist die lichtdurchflutete Szenerie. Wie bei vielen seiner Werke kann zudem eine gewisse Idyllisierung nicht verleugnet werden. Die Gruppe erweckte die Aufmerksamkeit der zeitgenössischen Kunstkritik. Als das Gemälde 1861 nämlich in Dresden ausgestellt wurde, schrieb die Breslauer Zeitung: „Hier ist es wirkliches Sonnenlicht, welches diese zum Theil ungemein lieblichen jungen Wesen bescheint, und die ganze Darstellung ist von der Art, daß wir kaum ein Bild auf der ganzen Ausstellung zu nennen müßten, welches wir lieber besitzen möchten als dieses.“ 

 

Anhand der Sammlung könnte man eine Geschichte der Kommode schreiben

Auch einige Skurrilitäten finden sich in der Offerte: Beispielsweise zwei Buchsbaum-Bürsten aus dem 18. Jahrhundert in Form von Streichinstrumenten – bei einer beißt eine Schlange einem Mann ins Ohr (Taxe 1000 Euro). Auch ein Paar Kühe (Taxe 1000 Euro) sowie ein Wildschwein aus Delfter Porzellan (Abb., Taxe 800 Euro) stehen zum Verkauf. Eine geschnitzte Nussholz-Zitronenpresse in Form eines Löwen, bei dem der Saft aus dem Maul fließt, entstanden in Italien um 1700, könnte Liebhaber von Limonaden ebenso erfreuen wie jene des gehobenen Kitschs (Abb., Taxe 1000 Euro). Drei Bronze-Zwerge, wild gestikulierend, fallen eher in die Kategorie Nippes (Taxe 1500 Euro). Dazu gibt es eine Menge Lüster in glänzendem Metall oder schimmerndem Glas sowie, vereinzelt, Silber (zwölf Augsburger Teller, um 1760, Taxe 7000 Euro). Frappierend ist die Reichhaltigkeit des Angebots an Möbeln – einem Spezialgebiet des Händlers. Anhand der Sammlung Hofstätter könnte man glatt eine Kleine Geschichte der Kommode schreiben, so viele verschiedene Varianten finden sich hier: ein Exemplar aus der Barockzeit, prachtvoll mit Chinoiserien geschmückt und im Piemont des 18. Jahrhunderts entstanden (Taxe 10.000 Euro); ein weiteres aus der Zeit von Louis XV. (Taxe 8000 Euro); eines in Zartrosa, auf eleganten Beinen ruhend und mit floralen und rocailleförmigen Schnitzereien versehen (Abb. S. 4, Taxe 5000 Euro). Aber auch Stühle, Aufsatzschränke und Vitrinen sind in reicher Zahl vorhanden.

Und doch: Selbst wenn im Herbst der zweite Teil dieses Konvoluts versteigert sein wird, beherbergt die Schatzkammer Hofstätters noch immer zahllose weitere Stücke. Für das nächste Jahr plant das Dorotheum bereits die nächste Auktion.

Service

Abbildung ganz oben

Kommode, Holz, geschnitzt, goldstaffiert, Marmorplatte, Venedig, 18. Jh., 87 x 132 x 67 cm, Taxe 5000 Euro (Foto: Dorotheum, Wien)

Auktion

Dorotheum, Wien
10. Mai

 

Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN, Nr. 8/2017

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