Auktionen

Nagel versteigert Nagel

Nagel Auktionen Stuttgart feiert am 27. und 28. Januar mit einer Spezialauktion den runden Geburtstag des ehemaligen Inhabers. Aufgerufen wird, was der Namensgeber gesammelt hat.

Von Ricarda Daberkow
09.03.2016

Nagel Auktionen Stuttgart feiert Ende Januar mit einer Spezialauktion den runden Geburtstag des Namensgebers und ehemaligen Inhabers. 2000 Objekte aus dem breitgefächerten Besitz Gert K. Nagels warten auf Käufer. Bevorzugt sollen die Objekte an Museen veräußert werden. Dies unterstützt der achtzigjährige Jubilar durch die Übernahme der Zuschlagssummen bis zu den Katalogpreisen. Die Öffentlichkeit von Kunst liegt dem ehemaligen Museumsgründer, der seine private Sammlung von 2002 bis 2009 in einem Museum in Kornwestheim dem breiten Publikum zugänglich machte, besonders am Herzen. So hat Nagels Verständnis von Kunst denn auch wenig Akademisches, liegt nicht im Abstrakten und Wissenschaftlichen begründet. Es kommt handfester daher. Schon seine Ausbildung kündet davon. Der junge Nagel lernte zunächst das Restauratorenhandwerk. Dann zog es ihn in den Kunsthandel, ins vom Vater Fritz Nagel, einem promovierten Chemiker, 1922 in Mannheim gegründete Auktionshaus. Dessen Versteigerungen fanden im Nachkriegs-Stuttgart zunächst in der Liederhalle statt. 1965 übernahm der Sohn das Geschäft und machte das Haus zu einem mittelständischen Unternehmen. In diesem Jahr wirkte Gert K. Nagel auch zum ersten Mal als Auktionator und versteigerte Objekte aus dem Schloss Adelsheim / Baden. Bis 1990 führte er die Geschäfte des Hauses. Nach seinem Rückzug war er jedoch nicht untätig: Fachpublikationen zu seinem besonderen Sammelgebiet, den Fayencen, oder Fernsehauftritte als Sachverständiger bei der seit 1985 vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlten Sendung „Kunst und Krempel“ zeigen das. Das Angebot der Nagel’schen Auktion vom 27. / 28. Januar kommt in seiner Vielfalt einem Guckfenster in die hiesige Geschichte gleich. Die Objekte aus Nagels Besitz stammen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert, umfassen Porzellane, Gemälde und Teppiche. Ergänzt wird die Versteigerung durch die Zinnsammlung Burkhardt mit knapp 300 Losen. Gerade das Zinn zeigt es: Anhand von Gebrauchsgut aus den Stuben und Küchen der Bürgerhäuser lässt sich ein gutes Bild der historischen Lebenssituation zeichnen: Leuchter, Löffel, Kannen und Trinkgefäße künden von vergangenen Zeiten. Hier wirkte Gert K. Nagel mit seiner Sammeltätigkeit doch wissenschaftlich, als europäischer Ethnologe, als Volkskundler. Der monetäre Wert eines Objekts stand bei ihm oft nicht im Vordergrund, vielmehr seine interessanten, heute fast vergessenen Informationen. Anhand einer barocken Kaminsäge, die zu einer Taxe von 250 Euro offeriert wird (Abb.), kann Gert Nagel die Herkunft des geflügelten Wortes „einen Zahn zulegen“ wunderbar erklären: Am vertikal montierten Kesselhaken nämlich konnte der Kochtopf leicht tiefer über das Herdfeuer gesenkt werden.

Fayencen mit Muffelmalerei

Regionale Wirtschaftsgeschichte spiegelt sich in den Erzeugnissen privater Manufakturen, deren ungesinterte Irdenwaren im Barock zur Ausstattung der Bürgerschicht gehörten. Diese Fayencen ahmten das kostspielige, bis dato hier noch nicht erfundene, echte Porzellan nach. Der rötliche oder gelbliche Keramik-Scherben wurde dazu mit einer zinnoxidhaltigen Glasur weiß überfangen. Diese härtende und abdichtende Schicht konnte dann mit Scharffeuerfarben bemalt werden. Aber auch Fayencen mit farbigen Glasuren sind bekannt, wie sie zum Beispiel von der Schrezheimer Manufaktur in Blau und Gelb gefertigt wurden. Aus der Sammlung Gert K. Nagel werden einige Schrezheimer Stücke mit Muffelmalerei, also Malerei in Aufglasurfarben, angeboten. Den größten Teil seiner Sammlung Schrezheimer Fayencen hat Nagel jedoch schon 1985 dem Schlossmuseum Ellwangen übergeben. Für die Blaumalerei waren vor allem die Nürnberger Handwerker bekannt, wie ein Bierhumpen aus der Zeit um 1730 in außergewöhnlicher Qualität zeigt (Abb.). Der mit Flechthenkel, Zinndeckel und Standring aus Zinn gearbeitete Krug in Walzen- form besticht mit seitlich flächiger Blumenmalerei auf kleisterblau eingefärbtem Grund. Dadurch ergibt sich eine stimmige Ton-in-Ton-Malerei, die für Nürnberger Waren typisch ist. In einer großen Kartusche ist mit feinen Pinselstrichen die Geschichte von Susanna im Bade (Daniel 13,1 – 64) dargestellt. Die Schöne entsteigt, nur mit einem Tuch bedeckt, gerade dem Bad und wird dabei von den zwei im Haus ihres Mannes beherbergten Alten bedrängt. Die Blaumarke „K.“ deutet auf die Malerwerkstatt der Gebrüder Andreas und Georg Friedrich Kordenbusch hin. Gemeinsam mit einem Krug aus dem 19. Jahrhundert wird der Walzenkrug zu einer Taxe von 2000 Euro angeboten (Los 29).

Eine Fayence mit Chinoiserie datiert ins späte 17. Jahrhundert. Sie stammt aus Frankfurt am Main und wurde in der dortigen Manufaktur wohl um 1680 / 90 gefertigt. Anfang des Jahrhunderts hatten Jesuiten Kunde von einem zivilisierten China nach Europa gebracht. Sie legten damit den Grundstein für eine China-Mode, die ihren Niederschlag in Gebäuden wie Teehäusern oder Inneneinrichtungen mit Seidentapeten fand. Bei Fayencen ahmt die Bemalung in Blau auf Weiß das berühmte Ming-Porzellan der Chinesen nach, das von 1368 bis 1644 seine größte Verbreitung fand. Die bei Nagel aufgerufene Rundplatte mit gekehlter Fahne misst 34,4 Zentimeter im Durchmesser. Die Reserven auf der Fahne sind mit stilisierten Blumen in kräftigen Blauschattierungen be- malt, durch schmale Felder davon getrennt sitzen Chinesen. Die Fahnenrückseite zieren abwechselnd große Striche, Kreise und Strichsterne, der Boden zeigt als Porzellanmarke einen stehenden chinesischen Mann in Beamtenkleidung mit schwingenden, langen Ärmeln. Neben dieser besonderen Markung wirkt der Teller mit einer Taxe von 2000 Euro durch das seltene Motiv eines europäischen Sakralbaus im Spiegel. In tintigem Blau ist dort ein Chinese in einer Säulenhalle mit gefliestem Boden in perspektivischer Darstellung gezeigt (Los 163).

 

 

Nagel, Stuttgart (Auktion: 27./28. Januar 2016)

 

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